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Ein unermüdlicher Sammler

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Kreisheimatpfleger Claus Broser hat für jede Frage den passenden Ordner

ROTHENBURG LAND – Wenn Mo­derator Günther Jauch eine Millionenfrage zur Geschichte Frankens stellen würde, wäre Claus Broser der perfekte Telefonjoker. Denn als langjähriger Heimat- und Archivpfleger gibt es sehr wenig, das ihm bei diesem Thema unbekannt ist oder sich zumindest nicht in einem seiner 290 Aktenordner finden ließe. Daneben weiß der 74-Jährige so manche amüsante Anekdote zu erzählen.

Er gehört zweifelsohne zu den treuesten und gründlichsten Zeitungslesern im Landkreis. Claus Brosers Arbeitstag beginnt in der Regel mit der Lektüre dreier Lokalteile. Sollte sich darin etwas Interessantes mit konkretem Bezug zu Franken finden, wird es kopiert und in einen Aktenordner abgelegt. Und selten kommt der Kopierer mal nicht zum Einsatz, denn bei 290 Ordnern, die sich über alle nur erdenklichen Themen erstrecken, ist fast immer etwas dabei. In allein 17 Ordnern findet man eine Fülle an Informationen zu historischen Berufen. Weitere Themen zu denen er Informationen sammelt sind etwa Maler und Bildhauer aus Franken, Heilkräuter und Naturmedizin, erneuerbare Energien, Bräuche das Jahr hindurch (sortiert nach einzelnen Monaten), Volksmusik, historische Münzen und vieles mehr. Der 74-Jährige hat sich ein einmalig gut bestücktes und sortiertes Archiv in seinem Arbeitszimmer eingerichtet – und auch noch einen Teil des Arbeitszimmers seiner Frau in Beschlag genommen. Mit Listen bringt er Ordnung in die Flut an Heftern und die 1000 Bücher, die an zehn verschiedenen Stellen in seinem Anwesen untergebracht sind – Claus Broser wäre deshalb beispielsweise auch bei Fragen zum Seekrieg ein hervorragender Ansprechpartner.

Heimatpfleger Claus Broser in seinem gut sortierten Privatarchiv.     Fotos: Scheuenstuhl

Heimatpfleger Claus Broser in seinem gut sortierten Privatarchiv. Fotos: Scheuenstuhl

Der Leutershausener betreibt diesen Aufwand aber nicht, weil er als Pensionär nicht wüsste, was er mit seiner Zeit anfangen soll. Vielmehr ist Claus Broser mit Leib und Seele Heimatpfleger für den Landkreis Ansbach. Insgesamt 58 Gemeinden hat er zu betreuen. Seit 2007 übt er diese Funktion auch für den ehemaligen Landkreis Rothenburg aus. In einigen Gemeinden ist er seit 1992 zudem als Archivpfleger tätig. Viel Arbeitszeit nimmt deshalb auch die Lektüre der gemeindlichen Mitteilungsblätter sowie die Korrespondenz mit den Bürgermeistern in Anspruch. Der Weg zu diesem Amt war in gewisserweise vorgezeichnet. Die Heimatpflege war lange Zeit fast schon so etwas wie eine Domäne der Volksschullehrer. Claus Broser ist selbst Pädagoge und hat nebenbei auch zahlreiche Artikel über Dörfer in der Umgebung geschrieben. So wurde der damalige Ansbacher Landrat Georg Ehnes auf ihn aufmerksam. „Mich hat das Angebot Heimatpfleger zu werden sofort gereizt“, erzählt er. Der gebürtige Dresdner mit Wurzeln in Siebenbürgen kam 1947 in den Westen nach Faulenberg. Mit 19 Jahren machte er das Abitur und fing sofort danach an auf Lehramt zu studieren. 40 Jahre lang war er als Volksschullehrer tätig, meist in Leutershausen. Die letzten 15 Jahre vor der Pensionierung verbrachte er als Rektor in Colmberg. „Ich wollte eine anständige Tätigkeit, die mich nach dem Ruhestand beschäftigt“, erklärt der 74-Jährige, der sich selbst als „Workaholic“ bezeichnet. Aber schon während seiner Zeit als Lehrer war er in verschiedenen Bereichen aktiv als „Ausgleich wenn er mal zornig aus der Schule“ kam, wie er zugibt. So entdeckte er auch seine Liebe für die Lokalpolitik. Von 1972 bis 2002 saß er im Leutershausener Stadtrat. Außerdem leitete er 12 Jahre lang Briefwahlen. In dieser Funktion ist ihm so mancher kuriose Stimmzettel untergekommen. Ein Wähler entlud auf dem Papier seinen ganzen Frust und seine Wut über die Politiker mit dem Satz „Ihr seid alle Idioten“. Ein anderer Zeitgenosse bediente sich zur Begründung seiner Stimmverweigerung bei der Bibel. Statt eines Kreuzes gab er lediglich an „Jesaia 41, 24“. Dahinter verbargen sich folgende weise Worte: „Siehe, ihr seid aus nichts, und euer Tun ist auch aus nichts; und euch wählen ist ein Greuel.“

Vater und Sohn Broser „bastelten“ Wappen von Oberdachstetten.Vater und Sohn Broser „bastelten“ Wappen von Oberdachstetten.

Vater und Sohn Broser „bastelten“ Wappen von Oberdachstetten.Vater und Sohn Broser „bastelten“ Wappen von Oberdachstetten.

Auch mit Bürgermeistern hat Claus Broser so manche amüsante Erfahrung gemacht. Als Heimatpfleger ist er für die Gemeindeoberhäupter erster Ansprechpartner in Sachen Gemeindehistorie. Die am häufigsten gestellte Frage an ihn lautet allerdings: Gibt es in meiner Amtszeit ein Jubiläum, das wir feiern können? Auch Rudolf Schwemmbauer wandte sich während seiner Regierungszeit in Geslau an den Fachmann. Er plante nämlich 1991 eine 750-Jahr-Feier zu veranstalten und beauftragte Claus Broser die dazugehörige Urkunde aufzutreiben. Doch der findige Heimatpfleger stieß auf ein noch älteres Schriftstück zu Ges-lau. Aber Glück im Unglück für den späteren Landrat: Es war genau 25 Jahre älter und so feierte man halt einfach den 775. Gemeinde-Geburtstag. Claus Broser ist auch unter die Schriftsteller gegangen. Einige seiner Werke sind Urkundenbücher mit bis zu 5000 Urkunden zu einem Ort. Er hat auch ein Buch über die Wappen des Landkreises Ansbach geschrieben. Eine Herausforderung stellte dabei Oberdachstetten dar, denn die Gemeinde hatte bis dato gar kein Wappen. „Ich habe dann selbst eines gebastelt“, sagt er lapidar. Sein Sohn hat hierfür den zeichnerischen Part bei den Flügeln des Adlers übernommen. Claus Brosers große Liebe ist die Musik. Seit 1962 ist er Organist in der Kirche St. Johannis in Wiedersbach, einem Stadtteil von Leutershausen. Mittlerweile musste er dies wegen seines schlechter werdenden Gehörs schweren Herzens aufgeben. Im Alter von 14 bis 19 Jahren war er sogar Mitglied in einer Tanzkapelle und hat dort „ganz schräge Musik“ gespielt, wie er heute findet. Über die Musik hat er seine andere große Liebe kennengelernt. Er hat sich in die Tochter seines Orgellehrers verliebt. Sieben Jahre musste er um seine jetzige Frau werben, bevor sie 1969 schließlich in die Heirat einwilligte. Mit viel Verständnis und noch mehr Geduld hat sie ihn seither die vielen Ehrenämter und Aktivitäten nachgehen lassen. mes


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