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„Wie ein Schaumbad für den Kopf“

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Hohe Schule der Schauspielkunst – Eine Frau kämpft um berufliche Perspektiven

ROTHENBURG – Die Vollblut-Schauspielerin Gerit Kling hat Rothenburg als „reizvolles Betätigungsfeld“ entdeckt. Nach ihrem Bühnenauftritt im letzten Jahr im Musiksaal und nun am vergangenen Sonntag im Toppler Theater kann sie sich eine weitere Zusammenarbeit „sehr gut vorstellen“.

Jürgen Klatte (v.li), Gerit Kling, ihr Verlobter Wolf­ram Becker und der Autor Carsten Golbeck.

Jürgen Klatte (v.li), Gerit Kling, ihr Verlobter Wolf­ram Becker und der Autor Carsten Golbeck.

Auf der Rothenburger Freilicht­bühne ist die vor allem als Film- und Fernsehschauspielerin bekannte Potsdamerin noch zweimal zu sehen: am 21. und 22. August. In der „Comödie“ Dresden gastiert sie neunmal mit dem zeitgemäßen Stück „Oben bleiben“ von Carsten Golbeck. Auch in Hamburg war es schon zu sehen. Mit dem Autor und der ihr vertrauten Regisseurin Katja Wolff hat sie schon häufiger erfolgreich zusammengearbeitet. Die beiden holte sie nun als produktives Team nach Rothenburg: für die Eigenproduktion und Uraufführung „Drei Morde, Küche, Bad“ am heutigen Mittwoch im Toppler Theater.

Gerit Kling kam mit ihrem Verlobten, dem Unternehmer Wolfram Becker, nach Rothenburg und fühlte sich im Hause Berger-Klatte sichtlich wohl. Auf der Bühne bekam sie immer wieder Zwischenapplaus und am Schluss kräftigen Beifall. In dem Ein-Personen-Stück geht es um die Angst vor dem Älterwerden und damit verbundene Existenzängste. Der Untergang der Titanic steht als Metapher für eine Gesellschaft, in der eine Frau um ihre Würde, ihren Platz und eine Perspektive kämpft. Gerit Kling spielt eine Schauspielerin, die kurz vor der Premiere ihres Stücks „Die Überlebende der Titanic“ steht und noch auf ihren Spielpartner – ihren Ex-Mann – wartet und schließlich in der schäbigen Garderobe auf der Hinterbühne eines drittklassigen Theaters strandet. Dort trifft sie überraschenderweise auf Publikum.

Zunächst irritiert ergreift „Vera Landis“ wie die Protagonistin im Stück heißt, die Gelegenheit und rechnet vor den unverhofften Zuschauern mit den Höhen und Tiefen eines Schauspielerinnenlebens ab, das von Jugendwahn und der Jagd nach Quoten geprägt ist. Der alternden Schauspielerin bleibt nur die harte Realität: „Hinten ist da, wo ich bin. Ich muss es ja wissen, denn schließlich war ich lange genug vorne.“

Nach der Vorstellung plauderte Gerit Kling über ihr Leben, das besser verläuft als das ihrer Bühnenfigur. Unzählige Filmrollen für Kino und Fernsehen machten sie bekannt: „Die Rettungsflieger“, Fahrten „Unter weißen Segeln“ oder auf dem „Traumschiff“, die Staffel „Notruf Hafenkante“, aber auch „Barfuss“ mit Till Schweiger oder die ZDF-Komödie „Irren ist sexy“, in der sie mit Schwester Anja die Hauptrollen besetzte. Auch als Synchronsprecherin ist sie gefragt. Dazwischen zieht es sie immer wieder auf die Bühne, denn ihre Wurzeln hat Gerit Kling beim Theater.

Sie standen schon als Kind im Scheinwerferlicht.

Kling: Das war noch zu tiefsten DDR-Zeiten. Wir wohnten in Potsdam und man hat mich im Kindergarten ausgesucht. Das Filmstudio Babelsberg befand sich um die Ecke und war immer wieder auf der Suche nach neuen Gesichtern. Mit vier Jahren wurde ich für Konrad Wolffs Romanverfilmung „Goya“ engagiert. Ich spielte die jüngste Tochter des Malers, die dann an Pest stirbt. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich im Kinderfilm „Hund über Bord“ mitgewirkt.

Schauspielerin Gerit Kling gastiert noch zweimal auf der Topplerbühne.Fotos: Schäfer

Schauspielerin Gerit Kling gastiert noch zweimal auf der Topplerbühne. Fotos: Schäfer

Ihre Eltern haben gleich zugestimmt?

Kling: Mein Vater war Herstellungsleiter beim Dokumentarfilm. Er hat sich dort um die Finanzen gekümmert, aber Dreharbeiten waren der Familie nicht fremd.

Mit 18 Jahren haben sie ein Schauspielstudium an der renommierten Ernst-Busch-Hochschule begonnen und während ihrer vierjährigen Ausbildung die Schauspielerei professionell erlernt.

Kling: Ich wollte unbedingt studieren und habe mich fürs Schauspiel entschieden. Seinerzeit stand ich in einem Theaterzirkel auf der Bühne. Dass ich das „Fest der jungen Talente“ gewonnen habe, das jährlich in der DDR stattfand, hat mich zusätzlich bestärkt. An der Hochschule musste ich eine Aufnahmeprüfung machen – und wurde sofort genommen.

Kurz vor dem Fall der Mauer flohen sie mit ihrer jüngeren Schwester Anja über die damalige Tschechoslowakei nach Westdeutschland.

Kling: Das war eine sehr aufgewühlte Zeit. Meine Schwester und ich wollten nicht in der DDR bleiben und befürchteten, dass – wie in Rumänien – die Grenze wieder dichtgemacht wird. Mit einem kleinen Auto sind wir durch den Wald abgehauen und über tschechoslowakisches Gebiet nach Bayern gelangt. Im Auffanglager Wackersdorf sind wir stundenlang nach Papieren angestanden. Am Abend haben sich die Ereignisse überschlagen. Plötzlich war die Mauer zum Westen offen. Wir sind noch in der selben Nacht zurück nach Westberlin gefahren.

In Schwerin, wo sie seinerzeit am Mecklenburgischen Staatstheater engagiert waren, hatten sie wegen ihres eigenmächtigen Fernbleibens ein Disziplinarverfahren am Hals.

Kling: Ich musste zur Strafe vier Wochen lang Ankleidedienst machen und konnte aber anschließend wieder spielen. Nach Schwerin bin ich ans Staatstheater Nürnberg gewechselt und wollte eigentlich zwei Jahre bleiben. Aber dann bekam ich ein Angebot aus Saarbrücken für die „Gerichtsreporterin“. Es war der Einstieg ins Seriengeschäft. Die ARD hat mich quasi aus dem Theater rausgekauft. In der Zeit habe ich angefangen, als freischaffende Schauspielerin zu arbeiten.

Wie war es, in der DDR Schauspielerin zu sein?

Kling: Es gab nicht viele Schauspielschulen. Wenn man aufgenommen wurde, war man privilegiert. Ich habe schon im zweiten Studienjahr am Deutschen Theater gespielt und bin gut gestartet. Meine Blitzkarriere hat sich dann nicht über die Jahre gehalten. Ich habe viele Serien gemacht und war darin allzu verhaftet. Damals hatte ich schon einen kleinen Sohn – und war deshalb mehr auf meine berufliche Sicherheit bedacht. Aus heutiger Sicht würde ich einen anderen Weg einschlagen. Aber meine Rückschau stellt sich durchaus erfolgreich dar. Ich habe nach wie vor einen gefüllten Terminkalender.

Wie sieht Ihre Zukunft aus?

Kling: Ich bin ein Kämpfertyp und habe ein Urvertrauen, dass sich die Dinge fügen. Ich wünsche mir, dass ich eine große Chance für den Film bekomme. Ich bin zuversichtlich, dass es klappt. Es muss nicht gleich sein. Mein positives Denken hat mir unglaublich viel ermöglicht. Ich fühle mich kraftvoller denn je. Gerade habe ich einen liebevollen Partner bekommen und führe ein glückliches Leben.

Mit 44 Jahren haben sie sich für den Playboy ausgezogen. Hatten Sie Einfluss auf die Bilder?

Kling: Ich fand es ganz cool, so etwas mal zu machen. Die Aufnahmen sind in einem Renaissance-Theater entstanden. Ich bin in die Rolle eines Vamp der 20er Jahre geschlüpft und es sind ganz abgefahrene und verfremdete Bilder entstanden. Das Konzept war meine Idee.

Stört es Sie nicht, als gestandene Schauspielerin, dass die Öffentlichkeit vorrangig an Ihrem Privatleben interessiert ist? Als Frischverlobte haben Sie gerade große Auftritte in der Boulevardpresse.

Kling: Ich nutze die Popularität, um meine Termine zu promoten. In die Berichterstattung sind meine Auftritte in Dresden und Rothenburg eingebettet. Vier Seiten in der „Bunten“ muss man erst mal kriegen.

Was fällt Ihnen zu Rothenburg ein?

Kling: Erst durch meinen Auftritt im letzten Jahr habe ich die Stadt kennengelernt und mich intensiver mit ihr beschäftigt. Die Novelle „Das Glück von Rothenburg“ des Literatur-Nobelpreisträgers Paul Heyse fand ich schwülstig, aber auch süß. Das charmante Toppler Theater bietet ein reizvolles Betätigungsfeld. Ich hätte Lust, hier noch öfter zu spielen. sis


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