Vortrag zu schwierigem Thema interessiert beim Frühstückstreffen
ROTHENBURG – „Wer verzeiht, lebt befreit“, mit diesen Worten schaffte es Hildegard Becker in ihrem Vortrag viele Zuhörerinnen anzusprechen. Zum „Frühstückstreffen für Frauen“ im Wildbad kamen wieder zahlreiche Frauen. Zur Abendveranstaltung waren dann auch Männer eingeladen.

Viele interessierte Frauen erschienen zum Frühstückstreffen im Wildbad. Foto: privat
Anette Wacker, stellvertretende Koordinatorin des Frühstückstreffen für Frauen in Rothenburg, stellte die Ziele des überkonfessionellen Vereins vor. Ein Erfahrungsbericht von Anne Holzner schloss sich an. Für die musikalische Umrahmung sorgten Valentina Kerschbaum und Jona Würflein. „Wer verzeiht, lebt befreit“ – Mit diesen Worten begann Hildegard Becker ihren Vortrag. Psychologie und medizinische Forschung hätten in den letzten Jahren viel darüber geforscht und festgestellt, dass Vergebung eines der ganz wenigen Themen des Lebens sei, mit dem man sich auseinandersetzt. Denn immer seien dabei unsere tiefsten Gefühle angesprochen: Liebe und Hass.
Die Fähigkeit oder das Unvermögen zu verzeihen, präge die Qualität aller zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Verzicht auf Vergeltung, den Jesus empfohlen hat, sei ein entscheidender, aber kaum praktizierter Schritt in derGesellschaft. „Weshalb ist das Vergeben so schwierig? Dafür gebe es zwei Gründe: zum einen werde tiefe Kränkung in uns unter „unerledigt“ gespeichert und tauche immer wieder in unserem Seelenleben auf. Treffe das Unverarbeitete dann auf einen aktuellen Konflikt, dann sei die Kränkung schmerzvoll wieder da, als ob es gestern gewesen wäre. „Zum anderen tragen wir das Prinzip der Gerechtigkeit in uns“, so Hildegard Becker. Deshalb bräuchte es den Schadenersatz oder die Begleichung der Schuld. Zumindest, dass der Verursacher Reue zeigt und um Vergebung bittet.
„Weil dieses Ausgleichsstreben so tief in uns verankert ist, fällt es uns schwer, ein vermeintliches Ungleichgewicht herzustellen, indem wir vergeben“, bemerkte die Referentin. Studien belegen den Einfluss und die Entwicklung von Krankheiten: Wenn wir uns an eine seelische Kränkung erinnern, steigt die innere Anspannung. Adrenalin und Noradrenalin werden ins Blut ausgeschüttet und führen zu Bluthochdruck, Kreislaufproblemen und verengen Gefäße, da keine körperliche Auseinandersetzung mit dem Verursacher stattgefunden hat. „Schuldzuweisungen aller Art sind Energiefresser ersten Ranges. Sie nehmen Lebensfreude und Energie“, betonte die Vortragende.
„Was bedeutet überhaupt vergeben und was geschieht bei Kränkungen und Verletztungen?“ fragte die Referentin. Verzeihen heiße nicht zu vergessen, was ein anderer angetan habe. Denn alles, was wir je erlebt, gefühlt und gedacht hätten sei in unserem Gedächtnis gespeichert. „Wenn Sie vergessen, werden Sie überhaupt nicht verzeihen können, denn unser Schmerz über die seelische Verletzung wird in uns abgespeichert. Deshalb brauchen wir das Verzeihen, sonst können wir gar nicht von diesen Verletzungen geheilt werden“, meint Hildegard Becker.
Jesus sagt: „Wenn Ihr mit Gott reden wollt und Ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit der Vater im Himmel auch Euch vergibt.“ Es wäre kontraproduktiv, wenn wir eine uns zugefügte Kränkung als Bagatelle entschuldigen. Schuld bleibe Schuld. Man könne sie nicht beschönigen oder aus der Welt schaffen.
„Nennen Sie Schuld, die an Ihnen begangen wurde beim Namen“, riet Hildegard Becker ihren Zuhörerinnen. „Stellen Sie sich vor, dass Sie dem Verursacher, der vor Ihnen sitzt, gegen-überstehen. Werfen Sie ihm alles vor und legen Sie ihm die Schuld auf.“ Das brauche Zeit, bis man sich dazu durchgerungen habe.
Eine weitere Anleitung, jemand verzeihen zu können, stamme aus der Bibel. Man könne seine ganze Rechts- und Unrechtsgeschichte an eine übergeordnete Instanz delegieren. Das eigne sich besonders dann, wenn man einen Trennungsstrich ziehen will und muss, um endlich zur Ruhe zu kommen und so einen Heilungsprozess in Gang setzen zu können. Das bedeute, man könne die Bestrafung des Täters und damit seine persönliche Rache an Gott übergeben. Und das nenne die Bibel: Vergebung.
Bei der Vergebung gehe es nicht darum, dass man ohne Gegenleistung auf sein Recht verzichte, sondern „ich übertrage meine Rechtsansprüche auf Gott, ich bleibe also nicht auf der Strecke und erhalte somit einen sogenannten Rechtstitel bei Gott und er sorgt dafür, dass ich in irgendeiner Form eine Entschädigung erhalte und damit stehe ich im Mittelpunkt seines Interesses.“ Verzeihen sei ein Prozess. Was bisher zu diesen Schritten gesagt wurde, betraf unseren Willen zur Vergebung. Es sei eine Reise, die aus vielen Schritten bestehe und auch Rückschritte kenne. Vergebung brauche Zeit und einen Umdenkungsprozess, ein Training neuer Gewohnheiten im Denken und Fühlen.
Wer aus dem Teufelskreis anschuldigender Gedanken aussteigen wolle, dem mache die Bibel ein Angebot: „Wünsche dem, der Dir Böses getan hat, dass es ihm und seiner Familie gut geht … überwinde das Böse mit Gutem und das Gute wird auf Dich zurückfallen.“ Zum Schluss erfolge die Versöhnung. Zuerst die Versöhnung mit sich selbst, was merkwürdigerweise die schwierigste Lebensaufgabe darstelle. Es sei dringend nötig, dass man sich mit sich selbst, seinem Lebensweg und seiner Vergangenheit versöhne. Noch schwerer sei es, sich mit seiner eigenen Schuld zu versöhnen. Man könne sie zwar verdrängen, aber sich selbst zu vergeben, schaffe man nicht.
Nur wer sich mit sich selbst und seinem eigenen Lebensweg versöhnt habe, der könne sich auch mit Menschen aus seiner Umgebung versöhnen. Mit den Worten Gottes: „Kommt her zu mir, die Ihr Euch abmüht und unter Eurer Last leidet, ich werde Euch Frieden geben“, beendete Hildegard Becker ihren Vortrag und wünschte allen Anwesenden genau dieses Ablegen der Lasten und die Erlangung des Friedens. vr