Böllerschützen engagieren sich für den Erhalt eines alten Brauchtums
GEBSATTEL – Einst sollten damit böse Geister und Dämonen vertrieben werden, heutzutage löst ein plötzliches Knallen bei einigen Menschen vor allem ein Gefühl der Unsicherheit und der Angst vor terroristischen Anschlägen aus. Dabei hat das im Verein organisierte „Krachmachen“ hierzulande eine lange Tradition. Die Böllerschützen Gebsattel setzen sich aktiv für den Erhalt dieses lautstarken und ehrbezeugenden Brauchtums ein.

Wichtig beim Böllerschießen ist, wie hier beim Salut, auf die Ansagen des Kommandanten zu hören und zwischen den Schützen sowie zum Publikum einen gewissen Sicherheitsabstand einzuhalten. Fotos: Scheuenstuhl
Ihre Vorgänger waren, laut Gebsattler Gemeindechronik, bereits im Jahr 1737 bei der feierlichen Erbhuldigung zum Salut-Schießen eingesetzt. Heute absolvieren die Gebsattler Böllerschützen rund 20 Termine im Jahr. Ihr Einsatz reicht dabei vom Anschießen von Volksfesten und Vereinsjubiläen über eigene Böllerschützentreffen bis zum Salut bei Hochzeiten, hohen runden Geburtstagen und Beerdigungen. Die Höhepunkte in ihrem Terminkalender sind nach eigenem Bekunden aber ohne Zweifel die Reichsstadttage, das Tauberzeller Weinfest und das Jacobi-Sommerfest in Schrozberg.
1993 hatte der damalige Schützenmeister Karl-Heinz Burghardt die Idee, eine Böllerschützengruppe zu gründen, die auf äußerst fruchtbaren Boden fiel. Derzeit sind 15 Mitglieder (sechs Frauen und neun Männer) in der Gruppe organisiert, die mit der Überzeugung, „Böllern ist ein Ausdruck von Lebensfreude“, ihrer Leidenschaft frönen. Neben dem Schießen an sich, spielt bei ihnen auch die Geselligkeit eine große Rolle. Dem-entsprechend freuen sie sich über jeden Mitstreiter, der sich ihrer Runde anschließen möchte.
Ihre Zusammengehörigkeit drückt sich äußerlich vor allem in der einheitlichen bayerischen Tracht aus, in der sie die öffentlichen Einsätze bestreiten. Aus Versicherungsgründen sind sie dem Gebsattler Schützenverein (Gründung: 1580) angegliedert.
Weder Sport noch wilde Ballerei
Es gibt aber auch Böllerschützengruppen, die in Brauchtumsvereinen organisiert sind, erklärt Böllerkommandant Klaus Schübel. Er ist so etwas wie der Zeremonienmeister, der die Kommandos für die Böllerschützen beim Schießen ansagt und darauf achtet, dass alles geordnet abläuft. Böllern ist nämlich kein wildes Herumgeballere. Es ist andererseits aber auch kein Sport. Die Bewahrung des Brauchtums ist grundlegender Sinn und Zweck dieser Tätigkeit. Dabei hat die Sicherheit für Mensch und Tier stets oberste Priorität. So muss zum einen beim Schießen ein ausreichender Abstand zwischen den einzelnen Schützen sowie zwischen den Schützen und dem Publikum bestehen. Zum anderen informieren sich die Böllerschützen genau wenn sie irgendwo zu Gast sind, ob sich etwa in der Nähe Tiere in landwirtschaftlichen Betrieben befinden oder Pferde an einem Festumzug mit teilnehmen, die durch das Schießen in Panik versetzt werden würden. „Wir haben unsere Teilnahme auch schon einmal abgesagt, weil die Sicherheit vor Ort nicht gegeben war“, erklärt Böllerschütze Hans-Heinrich Bigge. Dank dieser Gewissenhaftigkeit können sie über die vergangenen 25 Jahre eine makellose Sicherheitsbilanz vorweisen.

Mit vereinten Kräften wird die Kanone mit Schwarzpulver geladen.
Jedes Schießen, egal bei welcher Veranstaltung, wird im Vorfeld dem jeweiligen Gemeindeoberhaupt und der Polizei gemeldet. Folglich gibt es bei den Böllerschützen kein Übungsschießen im eigentlichen Sinne. Laut Satzung darf außerdem ein Gebsattler Schütze alleine seinen Böller nicht abfeuern. Erst ab drei Leuten ist dies gestattet, weil ab dann auch von Brauchtumspflege im Namen eines Vereins überhaupt erst die Rede sein kann.
Und damit sind die Bestimmungen für das Böllern noch lange nicht erschöpft. Zwar ist der Böller per Definition keine Waffe und kann daher frei erworben und auch ohne Auflagen zuhause aufbewahrt werden, doch spätestens wenn der dafür nötige Sprengstoff, also das Schwarzpulver, ins Spiel kommt, schaltet sich der Gesetzgeber ein. Im Gegensatz zum regulären Schützenverein liegt das Mindestalter für Böllerschützen nicht bei 14, sondern bei 21 Jahren. Wer bei den lautstarken Brauchtumspflegern mitmachen möchte, muss zunächst einen Antrag zum Erwerb, zum Umgang und zum Verbringen von Schwarzpulver beim Landratsamt stellen.
Erlaubnis für fünf Jahre
Die Behörde prüft den Antrag und stellt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, die zur Teilnahme an einem Böllerschieß-Lehrgang berechtigt. Nach erfolgreich abgelegter Prüfung erhält der Böllerschütze dann die Erlaubnis nach Paragraph 27 des Sprengstoffgesetzes mit dem Schwarzpulver umzugehen, die fünf Jahre gültig ist. In diesem Dokument wird die maximale Gesamtmenge an Schießpulver für diese Zeit festgehalten und wieviel tatsächlich von welchem Händler bezogen wurde. Auch die Aufbewahrung des Zündstoffs ist klar und streng geregelt: Bis zu einem Kilogramm kann man in einem Wohngebäude und bis zu drei Kilogramm in einem unbewohnten Nebengebäude lagern – und zwar in einem verschließbaren und an der Wand verschraubten Behältnis. Das Schießpulver darf erst an der finalen Schießposition in den Böller eingebracht werden.
Strenges Alkoholverbot
Dennoch ist es den Schützen untersagt, mit Böller und selbst separat in der Tasche befindlichem Schwarzpulver öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder etwa ein Festzelt zu betreten. Bei Fahrten zu Veranstaltungen gemeinsam in einem Fahrzeug sind sie dazu angehalten, wo dies möglich ist, Ortsumgehungsstraßen zu benutzen. Und selbstverständlich ist der Genuss von Alkohol vor dem Schießen strengstens untersagt.
Bei den Gebsattler Böllerschützen stehen vor allem Handböller, Schaftböller und Kanonen verschiedenster Größe hoch im Kurs. Geschossen wird letztlich nach vereinbarten Kommandos, wobei die Schussformation (beispielsweise Salut, langsames Reihenfeuer, schnelles Reihenfeuer, Doppelschlag und Reißverschluss) und die einzelnen Schritte wie laden, verdämmen, Zündhütchen setzen, Hahn spannen und Feuer geben, vom Böllerkommandanten angesagt werden.
Respekt vor Böller
Beim sogenannten Verdämmen wird der Böllerkorken mit Ladestock und Hammer in den zuvor mit Schwarzpulver bestückten Lauf hineingetrieben. Anschließend wird das Zündhütchen auf das Piston gesetzt und durch Auslösen des Schlagbolzens gezündet. „Auch nach 25 Jahren hat man noch Respekt vor dem Böller“, betont Hartmut Arnold, stellvertretender Böllerkommandant. Wenn einmal ein Schuss nicht losgeht, gelte es einige Zeit zu warten, um dann erneut ein Zündhütchen zu setzen, den Hahn zu spannen und abzudrücken. Wenn dies alles nichts nützt, müsse der Böller unschädlich gemacht werden, so Hartmut Arnold. Am Volkstrauertag in Gebsattel bietet sich die nächste Möglichkeit, die Böllerschützen in Aktion zu sehen – hoffentlich wie gewohnt ohne Zwischenfälle. mes