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Anders als ursprünglich gedacht

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Bürgermeisterwahlkampf in Schillingsfürst – Ende nach achtzehn Jahren Amtszeit

SCHILLINGSFÜRST – Politik ist ein hartes Geschäft. Bürgermeister Friedrich Wieth will keine Abrechnung mit der CSU, die ihm nach 18-jähriger Amtszeit die Gefolgschaft für eine weitere Kandidatur verweigert hat. „Ich verbiege mich nicht.“ Die zwanzig Mitglieder zählende CSU strebt mit dem amtierenden Dritten Bürgermeister Klaus Haack (60) einen personellen Neuanfang an. Die Art und Weise des Vorgehens sorgt für Verwunderung.

Im Frühsommer gab sich Friedrich Wieth noch zuversichtlich: „Ich kandidiere wieder.“ Die Erklärung war nicht abgestimmt mit der CSU, wie er einräumt, aber er hatte bis dahin auch nichts Gegenteiliges gehört. Er fühlte sich gestärkt von der Einmütigkeit im Stadtrat („in den letzten sechs Jahren war es sehr harmonisch“) und der Aussicht, sich ohne Konkurrenz zur Wiederwahl zu stellen. Freie Wähler und SPD hatten im Vorfeld signalisiert, dass sie keinen Gegenkandidaten ins Rennen schicken, wenn der Amtsinhaber noch einmal antritt. FDP-Einzelkämpfer Wolfgang Hofmann hat schon zweimal gegen Fried­rich Wieth eine Niederlage kassiert und keine Ambitionen mehr auf das höchste Amt im Rathaus. Er kandidiert auch nicht mehr für den Stadt­rat.

Bürgermeister Friedrich Wieth: „Ich klebe nicht an meinem Stuhl“. Fotos: Schäfer

Bürgermeister Friedrich Wieth: „Ich klebe nicht an meinem Stuhl“. Fotos: Schäfer

Friedrich Wieth hat in den letzten 18 Jahren eine beeindruckende Polit-Karriere hingelegt. 1996 setzte sich der seit 1984 amtierende CSU-Stadt­rat gegen drei einheimische Konkurrenten durch und gewann die Stichwahl mit 51,39 Prozent der Stimmen gegen den 18 Jahre lang im Rathaus amtierenden Gerhard Götz von den Freien Wählern. 2002 schlug Fried­rich Wieth den auswärtigen Herausforderer Harald Kleiber gleich beim ersten Urnengang aus dem Rennen.

2008 behauptete er sich erneut gegen Wolfgang Hofmann und auch klar gegen Otto Madejczyk aus Grasbrunn bei München, der von SPD und Freie Wähler unterstützt wurde. Mit 53,33 Prozent der Stimmen erzielte Fried­rich Wieth sein bestes Bürgermeister-Ergebnis. Trotz schwieriger Themen (Dorfsee, Rathausanbau, Feuerwehr-Neubau) gab es keine Streitereien, wie er betont, sondern wurde Politik gemacht, die in dem Gremium eine Mehrheit fand oder Einstimmigkeit erzielte.

Im Frühherbst bekam er mit, wie es innerhalb der CSU rumorte. Es wurden Gespräche geführt, in die Fried­rich Wieth eingebunden war, und ergebnisoffen diskutiert über eine mögliche Nachfolge. Für das Stadtoberhaupt schien nach den Debatten die Situation klar: „Es gibt keinen“. Der 60-Jährige erwog eine vierte Amtszeit und meldete auch seine Kandidatur für den Kreistag an, die er inzwischen wieder zurückgezogen hat.

Im Zusammenhang mit der Aufstellung der CSU-Stadtratsliste bekam Friedrich Wieth immer häufiger zu hören, dass ihn Parteimitglieder nicht mehr haben wollen und potenzielle Bewerber eine Kandidatur unter ihm ausschließen. „Konkrete Namen wurden nicht genannt, es war lediglich allgemein von ,Leuten’ die Rede“, erzählt Fried­rich Wieth. Von der 7-köpfigen CSU-Fraktion sind nur drei Stadträte Parteimitglieder, die Mehrheit ist parteilos. Aus der Fraktion scheiden fünf Personen aus. Zweiter Bürgermeister Peter Dinzl aus Altersgründen nach 18 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit, die anderen aus beruflichen oder anderen Gründen: Holger Spang, Gerd Schneider, Claus Fried­rich Grüber und Helmut Wägner. Drei ehemalige Stadträte kandidieren als Rückkehrer auf der Liste: Dieter Gottschling, Petar Tanevski und Markus Löschel.

Als Friedrich Wieth hörte, dass öffentlich zum Boykott der Bürgermeisterwahl aufgerufen werden soll, wenn er erneut antritt, wollte er sich eine solche Behandlung nicht länger zumuten. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nicht an meinem Stuhl klebe und keinesfalls auf Gedeih und Verderb noch einmal antrete.“ Mit Blick auf die Situation zog er die Konsequenzen. „Ohne den nötigen Rückhalt aus den eigenen Reihen hat es keinen Sinn weiterzumachen.“ Er wollte auch nicht derjenige sein, „der die CSU spaltet.“

Große Aufgabe für Stadt und Verwaltungsgemeinschaft: der Umbau des Rathauses.

Große Aufgabe für Stadt und Verwaltungsgemeinschaft: der Umbau des Rathauses.

Friedrich Wieth suchte die Entscheidung, denn es ging auch um seine Versorgungsansprüche als kommunaler Wahlbeamter bis zum Erreichen der Altersgrenze von 62 Jahren. Er muss den Nachweis erbringen, dass es nicht sein Wille war aufzuhören, sondern dass er nicht mehr nominiert wird. In der CSU-Mitgliederversammlung beantragte er eine Abstimmung. Friedrich Wieth und seine Frau Susanne stimmten für eine Kandidatur, die weiteren etwa vierzehn Anwesenden plädierten dagegen.

Kritiker werfen dem CSU-Bürgermeister einen schlechten Führungsstil vor. „Mir wird nachgesagt, dass ich im Rathaus selbstherrlich regiere und die Bürger nicht genügend in die Entscheidungen einbezogen habe“, erzählt Fried­rich Wieth. „Solche Vorwürfe haben mich dann doch überrascht.“ Für frischen Wind im Rathaus soll der bisherige Dritte Bürgermeister Klaus Haack sorgen. Der 60-Jährige war in den vergangenen sechs Jahren als Nachfolger seiner Frau Maria, die vorher in dem Gremium saß, an allen Stadt­rats-Entscheidungen beteiligt und wurde nun von der CSU als neuer Hoffnungsträger aufs Schild gehoben. Die Freien Wähler (70 Mitglieder) reagierten auf die Überraschung nicht untätig und nominierten ihren langjährigen Vorsitzenden und Stadtrat Michael Tryzbinski als Gegenkandidat. Auch die SPD (14 Mitglieder) sah sich vor einer unerwarteten Lage stehend. Nach reiflicher Überlegung gibt sie keine Wahlempfehlung, sondern überlässt dem Wahlvolk die Entscheidung, welchem Kandidaten es den größeren Wurf zutraut. Von beiden wird erwartet, dass sie sich noch positionieren und ihr Profil schärfen.

Für Friedrich Wieth ist die Sache abgehakt. „Ich engagiere mich bis zum letzten Arbeitstag und dann ist Schluss.“ Nach Ablauf seiner Amtszeit gibt er sämtliche Ehrenämter ab. 25 Jahre leitete er den TSV Schillingsfürst, 21 Jahre war er Stupfl-Faschingspräsident und zeigte große Toleranz gegenüber den scharfzüngigen Narren, stand an der Spitze der Feuerwehr und engagierte sich an führender Stelle für den Förderkreis Doerfler-Stiftung, fürs Altenheim Elisenstift und für den Partnerschaftsverein Schillingsfürst-Chambaret. In Zukunft will Friedrich Wieth mehr Rücksicht auf seine Gesundheit nehmen, mehr Urlaub machen und öfter verreisen. Er habe nicht vor, nach Südfrankreich auszuwandern, wo die Familie ein Ferienhaus besitzt. Seine Frau wird in Schillingsfürst weiter ihr Frisörgeschäft betreiben.

Friedrich Wieth scheidet nicht im Zorn aus dem Amt. „Ich habe meine Pflicht und Schuldigkeit getan“, sagt er. „Wenn ich mir die Dinge anschaue, kann ich auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken.“ Sein Start als Bürgermeister und Nachfolger von Gerhard Götz, der nach seiner Wahlniederlage als Oppositionsführer der Freien Wähler seine Position im Stadt­rat vertrat, sei „holprig“ gewesen. Friedrich Wieth spricht mit großer Anerkennung von seinem Vorgänger: „Er hat die Neuzeit eingeleitet und den Generalentwässerungsplan auf den Weg gebracht. Mit unseren Kläranlagen sind wir führend im Landkreis.“ Diese Arbeit habe er fort- und weitergeführt. „Bei immer knappen Mitteln wurde in achtzehn Jahren einiges vorangebracht, das sich sehen lassen kann.“

Der neue Bürgermeister kann schon den Spagat üben. Um diese Aufgabe ist er nicht zu beneiden. Es geht um die Umsetzung des Rathausumbaus, den der VG-Vorsitzende Karl Beck und Bürgermeister Friedrich Wieth gemeinsam vorangebracht haben. Das Zukunftsprojekt muss in schwieriger Personalsituation gemeistert werden. Der erfahrene und kompetente VG-Geschäftsstellenleiter Robert Heinlein ist wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zum Jahresende ausgeschieden und hinterlässt eine große Lücke. Der Mitarbeiterstab von zwölf Vollzeit- und sechs Teilzeitkräften soll wegen des geplanten Umzugs in ein Containerdorf nicht aufgestockt werden, heißt es. Stellvertreter Ernst Nehfischer trägt momentan die ganze Führungsverantwortung neben der zusätzlichen Arbeitsbelastung.

Wer soll den künftigen Bürgermeister in die laufenden Verwaltungsgeschäfte einarbeiten? Die Rathaussekretärin als einzige städtische Mitarbeiterin? Friedrich Wieth wurde seinerzeit von Robert Heinlein geschult: „Er war mir eine große Hilfe.“ Die finanzielle Lage der Stadt ist weiterhin schwierig. Soll der Sparzwang erhöht werden? Soll das 2,1 Millionen Euro teure Feuerwehrhaus gebaut werden? Das Grundstück wurde mit großen Mühen gekauft und die Planung bereits komplett erarbeitet. Im Bauhof mit seinen vier Mitarbeitern gibt es einen hohen Krankenstand. Im letzten Jahr fehlte ein Beschäftigter dreißig Wochen. Auch in der Doerfler-Galerie herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Der neue Rathauschef hat etliche Baustellen zu schließen. „Ich werde aufmerksam verfolgen, wie alles weitergeht“, sagt Friedrich Wieth bemerkenswert gelassen und ohne bitteren Unterton. sis


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