Dezeit schwache Verankerung – Auswirkungen auf zukünftige Museumsarbeit
ROTHENBURG – Warum dürfen die Reichsstadttage noch Reichsstadttage heißen, aber das Reichsstadtmuseum nicht mehr Reichsstadtmuseum? Ab dem kommenden Jahr wird die 1936 gegründete Einrichtung, mutiert zum finanziellen Sorgenkind der Stadt, in „RothenburgMuseum“ umbenannt. Da müssen die Traditionalisten schwer schlucken.
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Gemeinsam am Werk: Dr. Jörg Christöphler (li) und Dr. Hellmuth Möhring. Foto: Schäfer
Die Entscheidung ist gefallen. Auf Empfehlung des Kulturausschusses hat der Stadtrat mit großer Mehrheit grünes Licht für die Namensänderung gegeben – ein strategisch notwendiger Schritt, wie es heißt. Es reiche nicht, mit alten Methoden auf den Problemfall – verursacht durch den Besucherrückgang – zu reagieren.
Man habe die letzten Monate genutzt, betonten Tourismusdirektor Dr. Jörg Christöphler und Museumsleiter Dr. Hellmuth Möhring im Gespräch mit der Redaktion, viele Dinge zu überdenken und gewisse Maßnahmen zu ergreifen. Der neue Name ist Teil einer Neukonzeption, um zeitgemäß und medienkonform zu erscheinen. Man erhofft sich davon, die Einrichtung für Besucher attraktiver zu machen.
Der Kostenfaktor Reichsstadtmuseum sorgt schon seit Jahren für Diskussionen. Die Stabsstelle Rechnungsprüfung, Kontrollorgan des Finanzgebarens sowie der Wirtschaftlichkeit des Handelns der Stadt Rothenburg und ihrer Einrichtungen, macht auch in ihrem jüngsten Bericht Druck zum Handeln. Im digitalen Zeitalter stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Rolle die Einrichtung weiter einnimmt als Lernort fernab von Smartphone? Und: Welche Möglichkeiten gibt es, Einnahmen zu steigern oder Kosten zu senken. Die saisonale Reduzierung der Öffnungszeiten ist kein Ausweg aus dem Dilemma. Im Gegenteil. Das Museum braucht Wertschätzung sowie vor allem die Mittel seinen Bildungsauftrag zu erfüllen. Aber wie sollen bildungsscheue Menschen – oder ihre Kinder – ins Museum kommen?
Die kulturelle Einrichtung im Klosterhof wird von der Stadt finanziell getragen und sollte daher auch eine gewisse gesellschaftliche Relevanz haben – woran auch immer man diese misst. Das Reichsstadtmuseum als Draufzahlgeschäft hat sich laut Stadtkämmerer Franz Fisch auf ein vergleichbares Niveau im Minus eingependelt. Von einer akuten Finanzlage will er nicht sprechen. Der zu erwartende Verlust ist heuer mit 415000 Euro angesetzt und beinhaltet auch alle Kosten für Bau und Unterhalt des Gebäudes. Aktuell liegt das Defizit bei 217000 Euro.
Seit Jahresbeginn 2016 ist das Reichsstadtmuseum dem Tourismus Service zugeordnet – im Zusammenhang mit der Neuordnung der Organisationsstruktur innerhalb der städtischen Verwaltung. In seinem Einflussbereich hat Tourismusdirektor Dr. Jörg Christöphler im Zuge einer Gruppierung begonnen, den Problemfall Museum beherzt anzugehen. Gemeinsam mit Dr. Hellmuth Möhring erarbeitete er ein Programm, um die städtische Kultureinrichtung wesentlich mehr für das Publikum zu öffnen. Das ist grundsätzlich ein gutes Ansinnen.
Neue Impulse setzen
Wenn ein Haus eine hohe Summe an Steuergeldern verschlingt, aber gleichzeitig von der Allgemeinheit weitestgehend ignoriert wird, läuft irgendetwas falsch. Das muss dann gar nicht unbedingt am Thema der Institution selbst liegen, sondern vielleicht auch einfach an der Art der Darbietung oder Vermittlung. Wer das Museum als Steuerverschwendung hinstellt, weil man es nicht besucht, vermag nicht Fragen nach Vergangenheit und eigener Identifikation zu stellen: Wer bin ich, erklärt sich vornehmlich aus Geschichte.
Unstrittig ist: das alteingesessene Reichsstadtmuseum braucht neue Impulse, um nicht nur in der Museumslandschaft, sondern auch in der Stadtgesellschaft aktuell und präsent zu sein. Ein gemeinsam erarbeitetes „Positions- und Strategiepapier“ ist inhaltlich auf dieses Vorhaben zugeschnitten. Der neue Name „RothenburgMuseum“ biete mehr Klarheit bei der Zuordnung. Das „Reichsstadtmuseum“ stifte Verwirrung, vor allem bei ausländischen Touristen, und sei „schwer vermittelbar“. Wenn an der Fassade „Reich“ draufsteht, wird auch ein „Reich“ drinnen erwartet, wird argumentiert. Enttäuschte Gäste könne man sich nicht leisten. Das Haus vermittelt nichts zur Geschichte der Reichsstadt, sondern zeige die Geschichte Rothenburgs. Man erhebe den Anspruch, ein eigenes Profil zu vermitteln und „keinen Etikettenschwindel“.
Die Namensänderung stößt nicht nur auf Zustimmung. FRV-Stadtrat Dr. Karl-Heinz Schneider hätte sich mehr inhaltliche Auseinandersetzung gewünscht vor der endgültigen Entscheidung. Auf kritische Nachfragen zu dem Thema reagiert Tourismuschef Dr. Jörg Christöphler em-pfindlich. „Es ist ein Irrglaube, dass die Rothenburger das Museum retten können“, sagt er und verweist auf das Wertschöpfungspotenzial von 135 Millionen Euro Bruttoumsatz pro Jahr, der durch den Tourismus erwirtschaftet wird.
Mit Sorge registriert Dr. Jörg Christöphler die „anti-touristischen Haltungen“, die zur Spaltung der Stadtgesellschaft beitragen. „Das RTS will niemand etwas überstülpen, sondern tut das Beste mit viel Arbeitseinsatz, um die Stadt Rothenburg touristisch am Markt zu halten“. Trotz guter Entwicklung würden Kritiker nicht müde, „uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen“. Dabei betreibe der Tourismus Service „ganz relevant Wirtschaftsförderung“ und trage zum Erhalt der Kulturinstitutionen bei. „Ansonsten könnte sich die Kleinstadt Rothenburg eine solche Vielfalt an Einrichtungen gar nicht leisten ohne Tourismus“. Dass viele Einzelhändler über sinkende Umsätze klagen, trotz steigender Gästezahlen auch im Vergleich mit dem Rekordjahr 2015, werfe die Frage auf: Passt etwas mit der Angebotsstruktur nicht?
Im Gegensatz zum Reichsstadtmuseum haben die Reichsstadt-Festtage „ganz konkret etwas mit der Reichsstadt zu tun“ und sollen deshalb auch weiter so benannt werden. Es sei denn, sie entwickeln sich in Richtung eines Bürgerfestes, ähnlich der „Interkulturellen Woche“ dann seien neue Überlegungen nötig, erläuterte der Tourismuschef. Die Reichsstadttage werfen Schlaglichter auf die wichtigsten Stationen der Reichsstadt mit ihrem historischen Reigen, beginnend von 1274 mit der Verleihung der Urkunde bis zum Jahr 1802 mit der Einnahme durch Bayern. Dass die Thematik von historischen Gruppen „ausgefranst“ werde, als Beispiele nannte Dr. Christöphler die Malerinnen des Kunstkreises und die Historische Feuerwehr, sei nicht weiter schlimm, denn der Kern der Festtage „ist prinzipiell definiert“. sis