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Feines Kammerspiel

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Kulturkritik: „Illusionen einer Ehe“ im Toppler Theater

ROTHENBURG – Ein volles Haus applaudierte lang anhaltend der nun­mehr zehnten Premiere seit Bestehen des Toppler Theaters. Eric Assous’ Drei-Akter „Illusionen einer Ehe“ (2009) wird in der Inszenierung von Regisseur Oliver Zimmer zu einem dicht gewebten Kammerspiel fernab einer schenkelklatschenden Boulevardkomödie, zu der das pi­kan­te Thema des Stücks durchaus auch das Zeug hätte. Denn wie viele Seitensprünge eine Ehe verkraftet, ob diese lässlicher sind, wenn „das Hirn“ dabei nicht mittut, ob die Anzahl der Untreuen zählt oder deren Dauer, ob es moralische Unterschiede gibt für Mann und Frau – das ist bis ins derb Burleske feinster Komödienstoff.

Oliver Zimmer, der das Stück bereits für das Torturmtheater Sommerhausen und das Teamtheater in München inszenierte, setzt auch in Rothenburg pointiert auf den Text, seine komischen Brüche und Ambivalenzen, lässt die drei Figuren eher elegant dezent als plakativ agieren, hält nichts von aufmerksamkeitsheischenden Regieeinfällen. Das ist nicht risikolos, denn eine so wenig „kulinarische“ Theaterkunst könnte leicht in langweiliges Fahrwasser führen trotz des Wortwitzes.

Christiane Mudra und Jan Uplegger als Ehepaar Jeanne und Maxime.Foto: Kleinschrot

Christiane Mudra und Jan Uplegger als Ehepaar Jeanne und Maxime. Foto: Kleinschrot

Aber Christine Mudra als geheimnisvolle Jeanne, Jan Uplegger als ihr bis ins Larmoyante selbstgefälliger Ehemann Maxime und Martin Birnbaum als mit beiden befreundeter, scheinbarer „Loser“ Claude agieren mit tiefenscharf fesselnder Mimik wie Ges­tik. Unter der klugen Regie von Oliver Zimmer schaffen sie es mühelos wie intensiv, im kargen Bühnenbild mit lediglich fünf beweglichen Sitzpolstern ganz auf die Kraft der Dialoge zu setzen. Diese sind witzig bis ins Schwarzhumorige, erinnern passagenweise an ein Tennismatch mit perfide ange­schnit­tenen Bällen, Netzrollern und ab und an vernichtenden Aufschlägen zwischen den Eheleuten, die sich in einem großen Anlauf zur „absoluten Absolution“ ihre Untreuen beichten wollten – und vor deren Wirklichkeit erschrecken.

Natürlich meint Macho Maxime, dass seine insgesamt 12 Seitensprünge von geradezu inflationärer Bedeutung seien gegen den einzigen Fehltritt seiner Frau Jeanne. Denn dieser sei mit einer Dauer von neun Monaten ein echtes Verhältnis gewesen, bei dem sogar „Anschauungen ausgetauscht“ worden seien. Womöglich sei man sogar gemeinsam ins Museum gegangen! Den Namen ihres Kerls will er wissen: „Ich will sein Profil!“. Denn: In der Ehe mache sich ein Paar gegenseitig zu Eigentümern. Mit perfidem Lächeln kontert Jeanne: „Dann ist bei mir 12 Mal eingebrochen worden!“.

An Fahrt gewinnt das Stück nochmals mit dem Auftreten von Freund Claude, den Maxime als möglichen Kandidaten für den Seitensprung seiner Frau beargwöhnt. Kostümtechnisch bewusst schauderhaft ausgestattet vom Spie­ßer­hös­chen bis in die curryfarbenen Sportschuhe im Gegensatz zum stylishen Maxime kann das Publikum zunächst nicht glauben, dass dieser Mann das Objekt von Jeannes Begierde gewesen sein könnte. Aber immer mehr entpuppt sich Claude als sensibler Feingeist, als Mann mit Stolz und Gefühlstiefe. Die Verwicklung nimmt ihren Lauf – sehr amüsant mit viel Tiefgang! bhi


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