Das erste Liedfestival in Rothenburg lockte mehr Auswärtige als Einheimische
ROTHENBURG – Mit einigen Wochen Abstand blickt Initiator und Organisator Christoph von Weitzel auf sein feierlich in Rothenburg begründetes Liedfestival zurück, das internationale Zugkraft entwickeln soll. Seine Bilanz fällt unterschiedlich aus. Er sieht sich in seinem Enthusiasmus nicht gebremst, auch wenn das Ergebnis zunächst eine gewisse Ernüchterung beinhaltet.
Den Menschen einen neuen Zugang zum Kunst- und Volkslied zu verschaffen, ist das Anliegen des renommierten Bariton Christoph von Weitzel. Der in Unterzenn beheimatete Künstler liebt dieses Genre. Als exzellenter Liedsänger mit gewinnbringender Art kann er Menschen begeistern. „Es ist so schön, Lieder lebendig werden zu lassen und deren Kraft und Vielfarbigkeit zu entfalten“, sagt er schwärmerisch. „Selbst die Opernliteratur hat nicht so viele Themen in sich vereint, wie das Lied, das nahezu alle Lebensthemen verarbeitet“.
Das Bayerische Kultusministerium förderte die viertägige Veranstaltung des Festivalintendanten mit 11000 Euro. Der Bezirk Mittelfranken unterstützte die regionale Kulturarbeit mit 3000 Euro. Auch Stadt, Sparkasse und Hotel „Eisenhut“ leisteten ihren Beitrag. Dennoch blieb unterm Strich ein Minus von rund 3500 Euro, das der eigens für das Festival gegründete Verein „Musik ins Leben“ übernimmt. Das siebenköpfige Gremium besteht aus Vertretern der Wirtschaft, Justiz, Kultur und Gesundheitswesen, die sich bereiterklärt haben, das „Kulturgut Lied“ verstärkt in Erinnerung zu rufen und junge Generationen an diese einzigartige Ausdrucksform heranzuführen, darunter der Unternehmer Heinz Ruhl. So groß wie im 19. Jahrhundert ist der Liedvortrag nie mehr gewesen – als ein in allen Alltagslagen omnipräsenter Bestandteil des bürgerlichen Lebens und Zusammenseins. Auch Themen, über die sich zu dieser Zeit nur schwer reden ließ, wie Liebe, Sexualität und Politik hatten im Lied damals ein Medium gefunden.
Mit der Resonanz des Liedfestivals war der Organisator allerdings nicht zufrieden. Er hätte sich mehr Besucherzuspruch gewünscht. Vor allem das einheimische Publikum blieb aus. Wer dabei war, erlebte hochkarätige musikalische Darbietungen von erstklassigen Künstlern und vorzüglichen Klavierbegleitern, die Werke aus der Feder von Großmeistern des Genres interpretierten.
Christoph von Weitzel hatte junge Stars, allesamt exzellent ausgebildete Gesangskünstler aus China, Kanada und Deutschland verpflichtet – für einen gemeinsamen Konzertabend und einen Sonntagnachmittag unter der Regie von Edmund Emge, bei dem sich eine durch Lieder erzählte Geschichte von der Traumfiktion zu einer realen Liebesgeschichte entwickelte. Der vielseitige Künstler und Bassbariton arbeitet als künstlerischer Leiter an Opern- und Musiktheaterproduktionen mit.
Die beteiligte Mezzosopranistin Wendy Wang aus dem Land der Mitte flog nach ihrem Rothenburg-Auftritt nach New York. um in der komischen Oper „Der Barbier von Sevilla“ die „Rosina“ zu singen, die Angebetete des Grafen Almaviva, streng bewacht von ihrem Vormund, Doktor Bartolo.
Als doppelten Musikgenuss bereicherten Spitzenkünstler das Programm mit schwedischen und spanischen Gastbeiträgen, die auf internationalem Parkett erfolgreich sind und in der Liedinterpretation Maßstäbe setzen. Es war ein besonderes Erlebnis, die völlig verschiedenen Charaktere mit ihren Stimmen in unterschiedlichen Klangfarben aus nächster Nähe zu erleben: kraftvoll, hell und heiter, zart dahingehaucht, voluminös und schwer oder metallisch klingend mit edler tenoraler Färbung.
Als besondere Note konnten Laiensänger unter Anleitung der Profis ihr Lieblingslied einstudieren und an ihren Vorträgen feilen. Als Ergebnis der Singseminare durften sie im Theatersaal Bühnenluft schnuppern mit ihrem Auftritt vor Publikum. Im Zwei-Jahres-Turnus will Christoph von Weitzel das Liedfestival in Rothenburg fortsetzen. Aber nur, wenn die wichtigste Voraussetzung erfüllt ist: Die finanzielle Situation muss gesichert sein. An Ideen zur künstlerischen Ausgestaltung der geplanten Liedfestival-Reihe mangelt es ihm nicht. Er hat schon konkrete Vorstellungen, welche Länder das nächste Mal zu Gast sein könnten. sis