Engagiertes Eintreten für Gleichberechtigung mit großem Programm bei Frauentags-Veranstaltung
ROTHENBURG – Auch die siebte Veranstaltung der Weltfrauen zum Internationalen Frauentag war ein voller Erfolg, der mit über 150 Gästen ausgiebig in der Jugendherberge gefeiert wurde. Der Saal war, wie schon in den letzten vier Jahren, festlich geschmückt worden von Isabel Langenbuch und dem hilfsbereiten Team der Jugendherberge.
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Finale in der Rossmühle: Alle stimmen ins gemeinsame Lied ein. Foto: Zissis
Bevor das eigentliche Programm startete, trommelte die Gruppe „Red and the Colours“ unter der Leitung von Dieter Buzek wie immer bravourös. Begrüßt wurden die Gäste von Beate Zerkowski, der Sprecherin der Weltfrauen, von der neuen Leiterin der Jugendherberge, Rebecca Alba, und von Stadträtin Susanne Landgraf, die stellvertretend für ihre Kolleginnen und für die Ortsgruppe Rothenburg des Evangelischen Frauenbundes, ein Grußwort sprach.
Daran schloss sich Andrea Rodumer-Hauff, aktiv im Vorstand des Vereins „Rauhreif“, mit einem Kurzreferat über ihre Arbeit an. An den Verein geht ein großer Teil der Spenden am Weltfrauentag für die Beratung und Unterstützung von sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen.
Die Einführung zum Thema des Abends „Die Erziehung von Frauen im Wandel der Zeiten“ gestaltete Beate Zerkowski mit dem Titelblatt einer der letzten Wochenendausgaben der Nürnberger Nachrichten. Es zeigt eine Frau mit einem Kochtopf über ihrem Kopf und davor einen ratlos blickenden Säugling. Das spielt auf den Spagat vieler Frauen zwischen Beruf, Kindererziehung, Haushalt und Eheleben an. Berufstätige Frauen und Hausfrauen, aber auch Männer sind oft verzweifelt. Das muss sich ändern, was als wichtige gesellschaftliche Aufgabe gilt. Eine zeitgemäße Erziehung von Mädchen sollte dazu einen großen Beitrag leisten. Mit einem von Lela Kartak getexteten Lied zum Weltfrauentag sangen alle Frauen den Vorkämpferinnen der Frauenbewegung ein großes Dankeschön.
Unabhängig sein
Cornelia Müller sprach über das Schulwesen für die Töchter des Adels und des gehobenen Bürgertums, das bis zum 2. Weltkrieg das Leben von Mädchen entscheidend prägte. Sie berichtete von einer Auseinandersetzung, die sie als Zwölfjährige mit ihrem Vater hatte. Er sprach ihr damals eindringlich ins Gewissen, dass sie auf jeden Fall studieren oder einen Beruf erlernen müsse, um finanziell unabhängig von einem Mann ihr Leben gestalten zu können.
Im Gegensatz zu den „höheren Töchtern“ hatten es die Mädchen und Frauen der Arbeiterschicht gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr schwer. Denn sie mussten, wie Gabriela Schmidt-Schwänke referierte, 10 bis 11 Stunden als ungelernte Industriearbeiterinnen schuften, wurden schlecht bezahlt und hatten oft keine Zeit, am neu eingeführten hauswirtschaftlichen Unterricht teilzunehmen. Ziel dieses Unterrichts war es, die Mädchen zum „natürlichen Beruf“ der Frau hinzuführen.
Um die Zeit bis zur Eheschließung auszufüllen, arbeiteten sie als Dienstmädchen in fremden Haushalten, oft ausgenutzt und misshandelt. Um die Arbeit etwas erträglicher zu gestalten, sangen die Mädchen „Küchenlieder“, mit manchmal traurigem oder tragischem Ende.
Zur Illustration schlüpften die Weltfrauen in weiße Schürzen, zogen sich Hauben auf den Kopf, „bewaffneten“ sich mit allerlei Küchengeräten und sangen zur Gitarrenbegleitung von Lela Kartak das Lied „Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar hold und tugendhaft“. Am Ende gab es tosenden Applaus.
Passend zur damaligen Zeit wählte Hannelore Hochbauer die allseits bekannte Geschichte von „Paulinchen war allein zu Haus“. Der Arzt Heinrich Hoffmann hat sie 1845 in dem Kinderbuch „Der Struwwelpeter“ veröffentlicht. Diesen autoritären Erziehungsstil, der zum Teil heute wieder von konservativen Kreisen propagiert wird, hatte die Pädagogin Katharina Rutschky in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts als „Schwarze Pädagogik“ bezeichnet.
Als Gegenentwurf dazu sang Lela Kartak das Lied „Der Zeugnistag“ von Reinhard Mey“. Darin wird das Einstehen der Eltern für ihren Sohn gegen die Macht des Schulleiters gelobt. Er wollte den Schüler wegen Unterschriftenfälschung von der Schule werfen.
Zur Vorbereitung des Weltfrauentags wurde im Herbst im Bekannten- und Freundeskreis eine Fragebogen-aktion unter den Frauen gestartet. Lela Kartak erläuterte kurz den Inhalt der 50 Fragen, die anonym beantwortet werden konnten, mit dem Ziel, Eckpfeiler der Erziehung zu beleuchten. Über 100 Frauen im Alter zwischen 18 und 88 Jahren aus Ungarn, Kasachstan, Türkei, Griechenland, Syrien, Polen, Malaysia, Schottland, Kroatien, Bulgarien und natürlich auch aus Deutschland nahmen daran teil. Dabei war es nicht Ziel der Aktion, die Ergebnisse statistisch auszuwerten. Vielmehr sollte aufgezeigt werden, welche Erlebnisse und Erfahrungen das Leben der Frauen geprägt haben. Für die anschließende Pause waren Fragen aus dieser Aktion schon an den Tischen verteilt worden.
Das übervolle Buffet, das wie jedes Jahr von den fleißigen Frauen des Frauenbunds unter der Leitung von Gabi Staudacher, aber auch von den Weltfrauen und einigen Gästen bestückt worden war, konnte nun gestürmt werden. Dafür und auch für die Getränke, die von den Stadträtinnen gesponsert waren, wurde ebensowenig Geld verlangt wie für den Eintritt. Ein Spendentopf stand bereit.
Die Trommelgruppe holte die Gäste wieder an die Tische und eine Zusammenfassung der Auswertung des Fragebogens begann im Dialog zwischen Hannelore Hochbauer und Lela Kartak. Was sie beim Verteilen und Auswerten des Fragebogens überrascht hatte, waren die unterschiedlichen Reaktionen der Frauen. Gefühle wie Ärger und Trauer über verpass-te Gelegenheiten, Zorn und auch die Weigerung, den Fragebogen auszufüllen, obwohl er anonym gestaltet war, begleiteten die Aktion.
Es folgte ein historischer Rückblick in die Zeit des 3. Jahrhunderts nach Christus. Die Syrerin Sousan Ali schlüpfte dafür in die Rolle von Zanubia, der Enkeltochter von Kleopatra, die nach dem Tod ihres Mannes im Alter von 27 Jahren Palmyra erfolgreich regierte und das Herrschaftsgebiet zum Ärger der Römer vergrößerte. Dass dies zu ihrer Gefangennahme und ihrem wahrscheinlich gewaltsamen Tod führte, ist nicht verwunderlich. Sousan Ali gewährte einen kleinen Einblick in die verschiedenen Regionen Syriens, untermalt von arabischer Musik.
Beate Zerkowski knüpfte an die Frauenherrschaft, die dort existiert hatte, an und berichtete über das heute noch existierende Matriarchat der Zapoteken in der Provinz Oaxaca, Mexiko. Sie wählte die Frauen aus Juchitan als lebendiges Beispiel einer von Frauen beherrschten Stadt, in der nach den Regeln der gegenseitigen Unterstützung gewirtschaftet und gelebt wird. Das Wort „Arche“ hatte zunächst die Bedeutung „Ursprung, Anfang, Gebärmutter“ und später erst „Herrschaft“. Matriarchate gab es in früheren Zeiten auf der ganzen Welt, heute unter anderem noch bei kleinen Völkern in China, Japan, Tibet, auf Sumatra, Melanesien, in Indien, Nord- und Zentralafrika, Nord-, Mittel- und Südamerika.
Dass in Juchitan das Wirtschaften nach wie vor in Frauenhand liegt, verhilft der 100000 Einwohner großen Stadt zu einem guten Leben, rauschenden Festen und einem höheren Lebensstandard im Vergleich zu anderen indianischen Regionen. Die Erkenntnis für Beate Zerkowski: Unsere Lebensweise muss sich dringend ändern.
Nicht wertgeschätzt
Der Kapitalismus, gestützt durch das Patriarchat, diene nur dazu, viel auf Kosten anderer zu verdienen, ohne Rücksicht auf die Natur und andere Völker. Und dass das Kümmern, Sorgen, gegenseitige Unterstützen, hauptsächlich in Frauenhand liegt, werde nicht wertgeschätzt. Es wird im Privaten geleistet, nicht bezahlt, trägt nicht zum Bruttosozialprodukt bei und hat damit auch keinen Wert. Erziehung von Mädchen und auch Jungen sei ein Schlüssel zur Änderung der Geschlechterrollen. Das beste Erziehungsmittel sei das Vorbild starker Frauen.
Es schloss sich die wahre Geschichte einer griechischen Bäuerin an, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts zugetragen hat, lebendig erzählt von der Griechin Evi Vaimakos. Diese Bäuerin lebte mit anderen Frauen in den griechischen Bergen. Die Männer waren ausgewandert nach Rumänien, um dort zu arbeiten. Die Bäuerin wollte es nicht mehr hinnehmen, dass ihr Mann in Bukarest ein flottes Leben mit seiner jungen Freundin führte, während sie zu Hause mit der Landwirtschaft und den Kindern kaum überleben konnte. Sie ritt allein nach Bukarest, fand ihren Mann und sagte ihm, dass sie ab sofort nicht mehr zu ihm gehörte, was an ihrem realen Leben auch nichts änderte. Die Enkelin der Bäuerin berichtete Evi, ihrer Freundin, dass ihre Großmutter die erste Frau aus diesem Dorf war, die sich von ihrem Mann geschieden hatte.
Passend zu dieser Geschichte wählte Lela Kartak das Lied von Cat Stevens „If you want to sing out, sing out, if you want to be free, be free…“. Den Schlusspunkt setzte Hannelore Hochbauer mit dem Auszug einer Rede der afrikanischen Schriftstellerin und Feministin Chimamanda Ngozi Adichie aus Nigeria. Sie sagte, die Denkanstöße zur Veränderung über die Geschlechterrollen müssten „von uns Frauen“ kommen, da Männer in der Regel nicht über ihr Verhalten nachdenken. Damit will sie auch Mädchen ermuntern, sie selbst zu sein, sich nicht zu verstellen, um anderen zu gefallen. Zitat von Hannelore Hochbauer: „Für mich ist Feminismus eine Bewegung, deren Ziel es ist, dass man sie nicht länger braucht!“
Beate Zerkowski dankte allen Beteiligten, besonders auch Makiko Mura, die die Fotos für den Beamer bearbeitet hatte. Sie ermunterte, kräftig für den Verein „Rauhreif“ zu spenden. Auch erinnerte sie an die nächs-ten Aktionen, wie „Frauencafé International, den Film „Female Pleasure“ und die Kundgebung des Migrationsbeirats zum Tag gegen Rassismus mit dem anschließenden Film „Ein Lied in Gottes Ohr“. Zum Abschluss sangen die Weltfrauen zusammen mit den anderen Aktiven noch einmal voller Enthusiasmus ihr Lied, beschenkt mit Papierblumen von einer Künstlerin aus Rothenburg.
Einig waren sich alle, dass auch diese Veranstaltung zum Weltfrauentag sehr gelungen war. Es sei solange notwendig, den 8. März zu feiern, bis die Gleichberechtigung der Frauen endlich verwirklicht ist. Vielleicht brauche es bis dahin auch in Bayern den Weltfrauentag als gesetzlichen Feiertag, um dieses Datum im Gedächtnis zu behalten. bz