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Über Religionsgrenzen hinweg

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Jakobsweg-Arbeitstagung zum Pilgern mit Einblick in Islam und Judentum

ROTHENBURG – Schon lange ist die Stadt unter Pilgern ein Begriff, was vor allem an der Arbeit von Pfarrer Oliver Gußmann liegt, der nicht nur Touristen, sondern auch Jakobs-Pilger begleitet.  Wenig bekannt ist, dass schon seit 2005 jedes Jahr eine interne Jakobsweg-Arbeitstagung in Rothenburg stattfindet. Am Wochen­ende ging es im Gemeindesaal um Pilgern im Islam und Judentum.

Die Jakobsfigur von Ernst Steinacker – „Pilger Gottes” vor dem Kirchenportal.    Fotos: diba

Die Jakobsfigur von Ernst Steinacker – „Pilger Gottes” vor dem Kirchenportal. Fotos: diba

„Begonnen hat es 1995 mit der jährlichen Tagung zunächst in Heilsbronn, um Leute an einen Tisch zu bringen, die mit dem Jakobsweg zu tun haben“, betont Pfarrer Dr. Gußmann. Gemeint sind damit nicht nur Pfarrer, sondern auch Gastronomen, Wegmarkierer oder auch aus dem Tourismus mit dem Thema befasste Personen. Es geht also weniger um den „gemeinen Pilger”. Seit 1995 wird nach Rothenburg eingeladen, was sich hier gut bewährt hat. So kann man sich diesmal sogar über die beste Beteiligung mit 55 angemeldeten Teilnehmern freuen.

Einmal nach Mekka

Zu den Hauptreferenten zählten Süleyman Bahn, der Gründer und Leiter der muslimischen Sufigemeinschaft in Nürnberg. er berichtete über das Pilgern im Islam. Professorin Dr. Susanne Talabardon sprach über die Pilgertradition im Judentum. Sie hat die Professur für Judaistik an der Universität Bamberg. Den Vorträgen am Samstagvormittag folgten Aussprachen, ein gemeinsames Mittagessen und nachmittags Berichte und Planungen, wozu ein Thesenpapier von Pfarrer Gußmann zum gemeinsamen Pilgern zwischen den Religionen gehörte.

Die Bedeutung der sogenannten Hadsch, das ist die Pilgerschaft nach Mekka, erläuterte Süleyman Bahn und vermittelte mit Bildern und Filmsequenzen von der eigenen Pilgerfahrt lebendige Eindrücke. Einmal in seinem Leben sollte jeder Muslim in Mekka gewesen sein, die Regeln sind klar vorgegeben. So ist das Testament zu machen, man hat seine Schulden zu bezahlen und allen zu vergeben, mit denen man im Streit lebt. Um die Pilgerreise antreten zu können sind auch Kleider- und Reinigungsvorschriften zu beachten. Zwei ungesäumte weiße Tücher werden getragen, rituelle Waschung ist erforderlich.

Der Referent erläuterte welche Rituale in Mekka statfinden wie z.B. die Teufelssteinigung, bei dem sogenannte Teufelssäulen symbolisch mit jeweils sieben Steinen beworfen worden, wobei man „Allahu akbar!” (Gott ist groß) ausruft. Das siebenmalige Umschreiten der Kaaba steht im Zentrum des Pilgerwegs. Süleyman Bahn berichtete wie wichtig ihm selbst Dinge wie das Trinken des heiligen Wassers wurden.

Keine Pflicht im Judentum

Gar nicht so bekannt ist die Pilgertradition im Judentum, wo auch keine religiöse Pflicht dazu besteht. Wie Professorin Dr. Susanne Talabardon erläuterte geht das jüdische Pigern zurück auf die drei Wallfahrtsfeste, die schon in der hebräischen Bibel erwähnt werden. Bis heute gehe man beim Pilgern nicht „nach draußen“, Natur und Schöpfung spielten dabei keine Rolle. Bereits im ersten Jahrhundert sei man zu den Gräbern berühmter Propheten gepilgert.

Prof. Dr. Susanne Talabardon referierte.

Prof. Dr. Susanne Talabardon referierte.

Nach der Tempelzerstörung habe man im privaten Kreis Pilgerfeste gefeiert und im Mittelalter gab es Pilgerreisen nach Israel. Benjamin von Tudela, der 1173 starb, oder Petachja von Regensburg wurden dazu erwähnt. Im Chassidismus Osteuropas habe es den „Gottesdienst der Körperlichkeit” gegeben, wobei profane Handlungen mit der richtigen Intention und dem Gedanken an Gott wesentlich waren. Schließlich kamen Mittlerfiguten zwischen Gott und Mensch, bei einem Zaddik (ein Gerechter) suchte man Rat. Bedeutung bekam die Tischgemeinschaft und das Verbringen gemeinsamer Zeit am Sabbat (Ruhe- und Feiertag).

Praxis des Friedens

Später suchte man heilkräftige Gräber der Zaddikim auf und so gab es auch neue Pilgerorte wie sie vor allem in der Wallachei (Ukraine) zu finden sind. Die Referentin betonte, dass auch heute gepilgert wird. So nach Miedzybozh, im heute polnischen Niederschlesien gelegen. Oder nach Lezajsk im Karpatenvorland in Südostpolen zum Reben Elimelech, ein Pilgerzentrum chassidischer Juden. Allerdings kennen die konfessionellen Juden der Reform und des Liberalismus keine Pilgerschaft.

Moderator Oliver Gußmann zusammenfassend: „Für mich war interessant, dass es in Struktur und Ablauf des Pilgerns ähnliche Riten zwischen den Religionen gibt wie z.B. Wasser, Steine, Gewänder, Berührung von heiligen Gegenständen und Heiligenverehrung”. Dies griff auch sein Thesenpapier eines gemeinsamen Pilgerns verschiedener Religionen in der Praxis des Friedens auf, das leider nicht mehr diskutiert werden konnte. Der Pilgerweg könne zu Dialogen des Verstehens führen. Gußmann: „Das Pilgern in den drei abrahamitischen Religionen Islam, Judentum und Christentum geht auf gemeinsame Traditionen zurück”.

Ging es letztes Jahr auf der Rothenburger Tagung um die Pilger-Seelsorge, so ist 2018 das Thema „Pilgern mit nichtreligiösen Teilnehmern” angesagt. Mit bis zu 1100 Pilgerankünften bei steigender Tendenz pro Jahr in Rothenburg (über 80 Prozent sind alleine unterwegs) wird die Bedeutung der Tauberstadt für die Pilger auf dem Jakobsweg deutlich. Die Jakobswegführung ist vielfältig, das Ziel aber unverändert Santiago de Compostela im nordspanischen Galicien. diba


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