Eine junge Familie aus Magdeburg radelt einmal quer durch Deutschland
ROTHENBURG – Ein Baby verändert das ganze Leben, sagt man. Der kleine Erdenbürger bekommt die ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe seiner Eltern. Er wird zum Mittelpunkt ihres Lebens. Doch darüber eigene Pläne für außergewöhnliche Aktionen zurückstellen? Auf keinen Fall, dachten sich Bea und Christoph Franke aus Magdeburg und sattelten die Räder für eine zweimonatige Tour vom südlichsten bis zum nördlichsten Punkt Deutschlands – mit Zwischenstopp in Rothenburg. Immer mit dabei: ihr neuneinhalb Monate alter Sohn Friedrich.
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Bea, Christoph und Friedrich Franke aus Magdeburg freuen sich über den Ruhetag in Rothenburg nach zehn kräftezehrenden Rad-Etappen am Stück. Foto: Scheuenstuhl
Manch anderer hätte an ihrer Stelle schon längst die Flinte ins Korn geworfen. Denn das Projekt „Biketour Deutschland“ legte einen amtlichen Fehlstart hin. Alles war minutiös geplant. Und das, was der 33-jährige Sportwissenschaftler und seine 29-jährige Partnerin selbst in der Hand hatten, klappte wie am Schnürchen. Als dann aber ein Transportunternehmen ins Spiel kam, das die extra für dieses Vorhaben umgebauten Räder nach Süddeutschland bringen sollte, nahm das Schicksal seinen Lauf.
Das Ergebnis: Der Start der Tour verzögerte sich um vier Tage, weil die Räder irgendwo in Deutschland umherirrten. Es entstanden Mehrkosten für Zusatzübernachtungen und für unzählige Anrufe bei der Service-Hotline, um die Räder wieder aufzustöbern. Diese waren zu allem Überfluss wegen der fehlenden Sicherheitsverpackung auch noch beschädigt worden. „Wir waren am Anfang sehr frustriert“, gibt Christoph Franke zu. Das Ziel fest vor Augen machte sich das Magdeburger Trio dann einfach zu Fuß von Einödsbach auf zum Haldenwanger Eck, dem südlichsten Punkt Deutschlands, und zurück – immerhin 24 Kilometer. Auch die zweite Etappe nach Oberstdorf absolvierten sie auf Schusters Rappen und mit 70 Kilogramm Gepäck.
Kaum waren die Räder wieder mit ihren Besitzern vereint, ging es auch schon los. Bea Franke überraschte es, wie schnell sie einen Rhythmus auf den Rädern gefunden haben und dann auch fitter geworden sind. In den ersten zehn Tagen am Stück machten sie ordentlich Strecke und konnten die verlorene Zeit wieder reinholen. Auch bei ihrem Sohn merkten sie schnell eine Veränderung: Während der chaotischen Zeit in Wartestellung war auch Friedrich nicht immer bester Laune. Doch seitdem er regelmäßig im Anhänger sitzt und von seinem Papa durch Deutschland kutschiert wird, genießt er die Tour.
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Mit viel Gepäck geht es auch durch Dinkelsbühl. Foto: privat
Zugegeben, er verschläft den Großteil der einzelnen Etappen. Mittlerweile unterscheidet sich also sein Tagesablauf nur noch wenig von jenem im heimischen Magdeburg. Auch die ständig wechselnde Umgebung an den Ankunftsorten macht dem Kleinen nichts aus. Im Gegenteil. „Er freut sich immer über die neuen Zimmer und darüber, auf den großen Betten herumzutoben“, sagt sein Vater.
Die verständlichen Bedenken des Umfelds – vor allem der Oma – hinsichtlich des jungen Mitreisenden stellten sich als unbegründet heraus. Bea und Christoph Franke wollen mit ihrem Abenteuer deshalb auch anderen frischgebackenen Eltern zeigen, dass man sich eine derartige Radtour über immerhin 1500 Kilometer durch sieben Bundesländer mit einem Kleinkind zutrauen kann. Ihre Erlebnisse halten sie auf einem Blog unter www.biketour-deutschland.de in Wort und Bild fest.
Beide in Elternzeit
Die Idee zu der ausgedehnten Radreise existiert schon länger, sagt Christoph Franke. Als Student hatte man zwar Zeit, aber nicht das nötige Geld dafür. Im Beruf stehend verfügte man dann endlich über die finanziellen Mittel, doch die freie Zeit war knapp. Da sich beide gerade in Elternzeit befinden und Bea Franke vor kurzem ihr Studium beendet hat, packten sie die Gelegenheit – auch als kleine Belohnung für den Studienstress – nun endlich beim Schopfe.
„Man kann auch kleine Abenteuer vor der Haustür erleben“, ist der Sportwissenschaftler überzeugt, der seine Frau über die gemeinsame Liebe zum Radfahren kennengelernt hat. Es ist also nur logisch, dass sie ihr heimisches Abenteuer nun mit eben diesem Fortbewegungsmittel in Angriff nehmen. Auch sonst sind sie alles andere als Stubenhocker. Ihre Freunde und Familie sind schon daran gewöhnt, dass sie regelmäßig Berge und sogar Gletscher besteigen.
Ihr beachtliches Gepäck macht aus einer betulichen Radreise nun eine tägliche Sporteinheit. Dennoch tun sie es dem Großteil der Radfahrer, denen sie begegnen, nicht gleich und wechseln auf E-Bikes. Dies hat aber auch zur Folge, dass irgendwann ein Ruhetag eingelegt werden muss. Und wo könnte man dies besser machen als in Rothenburg?
Und so schauten sie sich einen Tag in der Tauberstadt um und konnten sich von den Strapazen der letzten zehn Tage erholen und die Eindrücke der bisherigen Etappen sacken lassen. Bislang wissen die beiden nur Gutes zu berichten. Erstaunt hat sie vor allem, wie sehr sich die Sprache in den einzelnen Teilen des Freistaats unterscheidet. Und trotz anfänglicher Bedenken, konnten sie jeden Bayern, dem sie begegneten, verstehen.
„Sehr viel Gastfreundschaft“
Auch die Nichtbenutzung der innerörtlichen Radwege aufgrund der Breite von Friedrichs Anhänger zog im Süden Deutschlands zu ihrer großen Überraschung kein Hupkonzert von genervten Autofahrern nach sich. Allgemein erfuhren sie während ihrer Tour „sehr viel Gastfreundschaft“, betonen die beiden. Ein Bewohner machte ihnen dafür umso mehr zu schaffen: der Eichenprozessionsspinner. Teilweise wurden ganze Radwege wegen seiner Brennhaare gesperrt. Doch nicht überall hatte man derartige Vorsichtsmaßnahmen getroffen und deshalb haben sich Bea und Christoph Franke nun auch einen Ausschlag an den Beinen eingefangen. Friedrich ist in seinem Anhänger zum Glück optimal davor geschützt.
Treffen mit Freunden
Der Weg ist das Ziel, heißt es ja. Und so freut sich Christoph Franke über jede Etappe gleichermaßen. Seine Frau fiebert dagegen besonderen Höhepunkten entgegen. Etwa Würzburg, wo sie das Haus besuchen möchte, in dem ihre Eltern während des Studiums wohnten. Und auf dem Nordseeradweg erhofft sie sich eine Mittagspause mit Meerblick. Entlang der 1500 Kilometer sind immer wieder Treffen mit Freunden und Bekannten eingeplant. Zwei haben sogar fest zugesagt, das Trio ein Stückchen auf ihrem Weg zu begleiten – natürlich per Fahrrad.
Vielleicht ist ihnen das Glück der Tüchtigen hold und sie können den letzten Abschnitt ihrer Reise Mitte August so absolvieren, wie sie es sich ausgemalt haben: sie möchten nämlich nicht per Autozug auf Sylt ankommen, sondern auf dem Seeweg. Ob dies per Ausflugsschiff möglich ist, wird sich zeigen. mes
Die junge Familie kann man auf ihrer Reise quer durch Deutschland über ihren Blog www.biketour-deutschland.de virtuell begleiten.