Zwei junge Rothenburger möchten Menschen anleiten, im Einklang mit eigenem Körper zu leben
ROTHENBURG – Viele folgen dem vorgezeichneten Weg: Sie machen einen Schulabschluss, absolvieren ein Studium oder eine Lehre – etwas Solides eben – und verdienen mit dem einmal gewählten Beruf bis zum Rentenalter ihr Geld. Franziska Kastner und Thilo Rehbogen lassen sich nicht in derartige gesellschaftliche Konventionen zwängen. Sie haben sich stattdessen dazu entschlossen, ihre Jobs aufzugegeben und sich in Indien zu Yoga-Lehrern ausbilden zu lassen. Zurück in der Heimat möchten sie nun dieses Wissen an Interessierte weitergeben.
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Thilo Rehbogen beim Tai Chi vor einem Tempel während seines sechsmonatigen Aufenthalts in China. Fotos: privat
„Es muss sich richtig anfühlen“, lautet die Maxime der beiden jungen Rothenburger bei all ihren Entscheidungen. Für Franziska Kastner mag der Schritt in die berufliche Selbstständigkeit inhaltlich nicht ganz so groß gewesen sein. Sie studierte Fitnessökonomie und Fitnesswissenschaft und hat bislang in diesem Bereich auch gearbeitet. Thilo Rehbogen hingegen war vorher fünfeinhalb Jahre lang Polizist, zuletzt in München. Doch eigentlich war er es, der mit einem Anruf das Schicksal der beiden in neue Bahnen lenkte.
„Hallo Schatz, wollen wir uns zwei Monate lang in Indien zu Yoga-Lehrern ausbilden lassen?“, fragte der 28-Jährige kurzum seine Freundin am Telefon. Er selbst befand sich zu der Zeit gerade in China. Zuvor hatte er den Polizeidienst an den Nagel gehängt und widmete sich nun in einer Klosterschule ein halbes Jahr lang Tai Chi und Qi Gong. Dort lernte er auch jemanden kennen, der ihn auf die Idee mit Indien brachte.
Da sich dieses Vorhaben für das Paar einfach richtig anfühlte, machten sie sich auf nach Rishikesh – wohin auch sonst? Die 70000-Seelen-Stadt zwischen Ganges und Himalaya trägt schließlich den inoffiziellen Titel „Yoga-Hauptstadt der Welt“. Menschen aus allen Erdteilen, jeden Alters und unterschiedlicher gesellschaftlicher und sozialer Hintergründe kommen dort zusammen, um sich in der Lehre des Yoga unterweisen zu lassen. Sie alle haben gemeinsam, dass ein Umbruch in ihrem Leben stattfand, erklärt Thilo Rehbogen.
Vom Verband zertifiziert
Natürlich treffe man dort auch auf die „Klischee-Yogis“, ergänzt Franziska Kastner. Die Ausbildung an sich hat aber mit der locker-verklärten Vorstellung von „wir haben uns alle lieb“ und „love, peace and harmony“ recht wenig zu tun. Sie ist von der „Yoga-Alliance“, einem internationalen Verband, zertifiziert und muss deshalb gewissen Qualitäts-Ansprüchen genügen. So sind auch die Lehrer alles andere als vermeintlich weltfremde Eremiten, die den ganzen Tag
nur vor sich hinmeditieren. Sie alle haben akademische Abschlüsse, vorwiegend im medizinischen Bereich.
Die zwei Monate des Lehrgangs umfassen 500 Unterrichtsstunden. Der erste Block mit 200 Stunden wird von vielen Teilnehmern vor allem als eine Zeit der Zurückgezogenheit vom Alltag (auch „Retreat“ genannt) genutzt. Erst in den restlichen 300 Stunden tritt die Lehrerausbildung verstärkt in den Vordergrund. Aber nur wenige wechseln nach dieser Zeit auch tatsächlich in die Rolle des Lehrenden, so Thilo Rehbogen.
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Von Indien in die Selbstständigkeit: Thilo Rehbogen und Franziska Kastner lehren von nun an Yoga in Rothenburg.
40 Grad im Schatten
Nach jedem der beiden Kurs-Teile steht eine Prüfung in Theorie und Praxis an. In dem Yoga-Zentrum wird sehr auf Höflichkeit und die Einhaltung des Stundenplans geachtet. Zudem sind Alkohol und Rauchen verboten. Die Ernährung ist ayurvedisch. Ein typischer Unterrichtstag – bei 40 Grad im Schatten – beinhaltet vier Stunden körperliches Yoga und jeweils eine Stunde Atemübungen, Meditation, Anatomie und Physiologie sowie die Philosophie des Yoga.
Mit dem Zertifikat in der Tasche ging es für Franziska Kastner und Thilo Rehbogen zunächst nach Thailand. Dort wollten die beiden eigentlich die vielen Erfahrungen aus Indien erst einmal für sich in Ruhe verarbeiten und sacken lassen. Es kam dann doch ein wenig anders. Statt sich ganz der Ruhe, Entspannung und der inneren Einkehr hinzugeben, begannen sie von Thailand aus, die ersten organisatorischen Grundlagen für ihr berufliche Selbstständigkeit als Yoga-Lehrer zu organisieren.
Der Raum, den sie für diesen Zweck in der Industriestraße in Rothenburg angemietet haben, erstrahlt mittlerweile in reinem Weiß. Und mehr muss auch gar nicht rein. Denn genau wie in dem Yoga-Zentrum in Rishikesh soll auch hier nichts die Aufmerksamkeit der Yoga-Schüler ablenken und die Atmosphäre stören. Aber nicht nur die Rahmenbedingungen, sondern auch das eigentliche Yoga wollen sie, so wie sie es in Indien gelernt haben, eins zu eins hierherbringen, sagt Franziska Kastner.
Zwar ist Yoga mittlerweile ein riesiger Trend, der ausgehend von den Großstädten auch immer mehr den ländlichen Raum erobert. Doch das dabei meist praktizierte körperliche Yoga allein ist nur „ein geringer Bruchteil“ von dem, was Yoga eigentlich umfasst, erklärt die 23-Jährige. In erster Linie ist es eine Lebenseinstellung. Die Essenz davon: Wenn man nach innen – also sich selbst gegen
über – nur Gutes tut, dann kann man nach außen – sprich anderen gegen
über – auch nichts Böses tun.
Von vier auf 200 Positionen
Eine weit verbreitete Fehlannahme ist: Wenn man sich in einer Yoga-Position, einer sogenannten Asana, befindet, besteht der geistige Teil darin, eine „Leere im Kopf“ herbeizuführen. Es geht aber vielmehr darum, sich bewusst zu machen, welche Gedanken einen gerade beschäftigen und diese dann zu sortieren. Das körperliche „Training“ dient eigentlich nur dazu, lange und bequem eine Position für diesen geistigen Teil halten zu können. Denn: Durch die körperliche Mobilität entstehe geistige Mobilität, so Thilo Rehbogen, die dazu beiträgt mit beispielsweise Stress und Leistungsdruck besser umgehen zu können. Im Uryoga reichten dafür vier Positionen aus. Da den modernen Menschen aber immer mehr Zipperlein plagen, gibt es heute 200 davon.
Die Arbeit nach innen, mit sich selbst, ist den beiden bei ihren Unterweisungen als Ergänzung zum rein körperlichen Training sehr wichtig. Nicht umsonst sind sie im Internet unter „in and out journey“ zu finden. Franziska Kastner hat der innerliche Aspekt bei ihrer bisherigen Tätigkeit im Fitnessbereich immer gefehlt. Dank der Selbstständigkeit kann sie dies nun kombinieren. Das heißt, man kann sich beispielsweise mit ihr als Personal Coach beim Waldlauf auspowern und dann im Yoga sich seines Körpers bewusst werden und dessen Signale lesen lernen.
Blockaden lösen
Zudem möchten die beiden stärker den Bereich „Atmung und Meditation“ in den Fokus rücken. Denn damit lassen sich sehr viele körperliche und geistige Blockaden lösen, sind sie überzeugt. Wer hat schließlich noch nie in einer Stress-Situation den Rat „tief durchatmen!“ bekommen? Während ihrer Ausbildung in Indien haben sie außerdem auch therapeutisches Yoga kennengelernt.
„Jeder kann Yoga machen“, betont Thilo Rehbogen. Man muss dafür nicht besonders beweglich sein. Und auch Alter und Gewicht spielen dabei keine Rolle. Wenn eine Asana nicht ausgeführt werden kann, könne man diese leicht abwandeln, macht er all jenen Mut, die ihr eigenes Fitnesslevel als nicht sehr gut ansehen. Man bemerke aber sehr schnell Fortschritte, ergänzt Franziska Kastner.
Wichtig dabei sei jedoch, dass man die Positionen unter Anleitung eines Lehrers durchführt. Sonst könnten sich sehr schnell Schmerzen, etwa im unteren Rücken einstellen. mes