Kriminalmuseum schafft Grundlage für aktivere Rolle der Besucher
ROTHENBURG – Was nützen einem all seine Schätze, wenn sie sich nur einem kleinen Kreis erschließen? Das Mittelalterliche Kriminalmuseum beherbergt Deutschlands bedeutendste rechtshistorische Sammlung und zieht ein beachtliches akademisches Publikum an. Um die besonderen Exponate einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen, hat sich die Museumsleitung einiges einfallen lassen.
![Beeindruckende Kopien: Karl der Große und Kaiser Sigismund mit „ihren“ Reichsinsignien. Fotos: Scheuenstuhl]()
Beeindruckende Kopien: Karl der Große und Kaiser Sigismund mit „ihren“ Reichsinsignien. Fotos: Scheuenstuhl
Wie man es macht, ist es falsch. Zu dieser Schlussfolgerung mag mancher schon einmal selbst gekommen sein. Worüber man sich heute im schlimmsten Falle ärgert, bedeutete im Mittelalter das Todesurteil. Dann nämlich, wenn man bezichtigt wurde eine Hexe zu sein und bei der sogenannten gütlichen Befragung keinerlei Chance hatte davor zu bestehen. Denn es ging dabei nicht darum, seine Unschuld beweisen zu können, sondern eigentlich nur, ob man vor den Scheiterhaufen noch den Umweg über die peinliche Befragung (von Pein für Schmerz) nimmt, weil man die Vorwürfe leugnet. Wie es ist vor einem Richter im Hexenprozess zu stehen und auf seine Fragen antworten zu müssen, kann man nun im Kriminalmuseum einmal selbst ausprobieren, an einer der neuen sogenannten Multimedia-Stationen.
![Dr. Hirte stellt sich der gütlichen Befragung.]()
Dr. Hirte stellt sich der gütlichen Befragung.
Auf einem Bildschirm sieht man dabei Schauspieler, die den Richter und die Angeklagte mimen. Über zwei Hörmuscheln sind die 15 Fragen des Richters zu hören. Mit jeweils einer Taste für Antwort A und B kann man dann versuchen die unglückselige Angeklagte vor dem Tod durch Verbrennung zu retten.
Eintausend Jahre Rechtsgeschichte sind unter dem Dach des Kriminalmuseums versammelt. Es würde wohl viele Tage in Anspruch nehmen, wenn man alle schriftlichen Erläuterungen zu den Exponaten lesen möchte. Und selbst dann hat man die umfassenden Informationen dazu zwar aufgenommen. Ihre Bedeutung zu erfassen, steht dann aber noch aus.
Dies hat nun teilweise die Museumsleitung übernommen. Denn das hauptsächliche Augenmerk vieler Besucher liegt auf den Folterinstrumenten. Es soll allerdings auch auf andere bemerkenswerte Ausstellungsstücke und interessante Rechtsthemen umgeleitet werden, indem man diese herausgreift und auf besondere, zeitgemäße Weise darstellt.
Aktive Einbindung
Das kann etwa durch die aktive Einbindung der Besucher sein, wie bei der beschriebenen gütlichen Befragung. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung neuer Vermittlungsformen ist „Der neue Leyenspiegel“ von Ulrich Tengler (1511). Er ist nicht nur als tatsächliches Exponat zu sehen. Die historische Bedeutung eines darin befindlichen Holzschnittes mit den Vorwürfen gegenüber Hexen als Motiv, wird auch digital aufbereitet. Nacheinander werden auf einem Bildschirm die einzelnen Aspekte des Holzschnitts gezeigt und erklärt.
Im Kellergewölbe des Museums gibt es auf deutsch und englisch den vierminütigen Film „Die Tortur in den fränkischen Hexenprozessen“ zu sehen. Eine weitere Strategie: Man zieht die Aufmerksamkeit der Besucher unvermittelt mit akustischen Reizen auf ein bestimmtes Thema. So vernimmt man im Umkreis der Eisernen Jungfrau zunächst nur Gemurmel. Je näher man aber dem zentralen Bild kommt, desto deutlicher ist die Audio-Einspielung des auf vier Minuten gekürzten Hörspiels „Die Squaw“ von Dracula-Autor Bram Stoker zu hören.
Im Laufe der vergangenen Monate wurden die verschiedenen Stationen installiert. Man befindet sich aber noch in einer Experimentierphase. Im Moment schauen wir, wie es angenommen wird, betont Dr. Markus Hirte, Leiter des Museums. Gerade bei der Präsentation der Eisernen Jungfrau gibt es noch einiges auszuprobieren: Soll das Hörspiel in einer Endlosschleife laufen oder per Lichtschranke ausgelöst werden? Wie lässt sich die Lautstärke an das jeweilige Besucheraufkommen anpassen? Viele Fragen sind also noch offen.
Dr. Markus Hirte hat 2013 die Leitung des Museums übernommen. Unter die drei Schlagworte „Internationalisierung“, „Multimedialisierung“ und „Fokussierung“ stellt er sein Wirken an der Museumsspitze. Diese Vorsätze gilt es mit Leben zu füllen.
Was hierfür bislang von ihm und seinen engagierten Mitarbeitern getan wurde, präsentierte er kürzlich dem Rothenburger Stadtrat bei einem nicht öffentlichen Ortstermin. Neben kleineren Umbaumaßnahmen und den neuen Vitrinen aus dem aufgelösten Puppenmuseum, führte er den Ratsmitgliedern auch die installierten zeitgemäßen Darstellungsformen vor und erklärte das Gesamtkonzept des Museums. Am Ende des knapp einstündigen Rundgangs durch das Museum gab Oberbürgermeister Walter Hartl den Eindruck vieler Ratsmitglieder wieder, dass mit dem Juristen Dr. Markus Hirte „der richtige Mann auf dem richtigen Posten“ ist.
Logistik und Kommunikation
Zudem hat das Museum nun einen neuen, moderneren Internetauftritt und eine überarbeitete Broschüre in zehn verschiedenen Sprachen. Es war eine bewusste Entscheidung nicht wie andere Häuser elektronische Museumsführer (sogenannte „Audio-Guides“) anzuschaffen, erklärt der Leiter. Zum einen sei es logistisch schwierig, ständig für jeden Besucher ein enstprechendes Gerät bereitzuhalten. Zum anderen würde dadurch die Kommunikation der Besucher, gerade zwischen Eltern und ihren Kindern, eingeschränkt.
Somit hat man sich für die „Insellösung“ mit den Multimedia-Stationen entschieden. Ein entsprechendes Exemplar, wie es im Kellergewölbe zum Einsatz kommt, kostet zwischen 5000 und 10000 Euro. Diese Investitionen sollen nächstes Jahr, laut Museumsleitung, aber nicht auf die Eintrittspreise umgelegt werden.
Zum „Schatz“ des Kriminalmuseums gehört auch die hochwertige Nachbildung der Reichsinsignien. Damit Reichskrone, Reichsapfel, Zepter und Heilige Lanze richtig zur Geltung kommen, hat man sie vom Erdgeschoss in das zweite Obergeschoss gebracht. In dessen Mitte fallen sie aufgrund der beiden großen Gemälde Albrecht Dürers (ebenfalls Kopien) von Karl dem Großen und Kaiser Sigismund von Luxemburg sofort ins Auge. Bemerkenswert ist, dass Karl der Große mit den Reichsinsignien dargestellt ist, obwohl diese erst nach seinem Tod 814 angefertigt wurden.
Von 1424 bis etwa 1800 befanden sich die originalen Herrschaftsinsignien der Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches in Nürnberg. Heute werden sie in der Weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt. Für kurze Zeit, von 1938 bis 1946, waren sie nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wieder in Nürnberg.
Mittels eines berührungsempfindlichen Bildschirms können Besucher (in Deutsch, Englisch, Französisch und Japanisch) mehr über die Bedeutung, Struktur, Geschichte, Symbolik der Reichskrone sowie die Krönungszeremonie erfahren. Weitere Exponate um diesen Höhepunkt herum, sollen die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches ergänzend nachzeichnen. mes