Nicht gegen die Zeit, sondern mit den Anderen beim Rothenburger Laufklassiker
ROTHENBURG – Mit der mittlerweile achten Auflage des Rothenburger Halbmarathons haben die Veranstalter wieder einmal gezeigt, dass er zurecht für zahlreiche Sportler ein fester Termin in ihrem Laufkalender ist. Der ein oder andere Passivsportler mag vielleicht den Laufsport als Individualistendisziplin par excellence ansehen. Dabei wird von vielen Aktiven gerade hier der Gemeinschaftsgedanke großgeschrieben.
![Startschuss für den achten Rothenburger Halbmarathon bei bestem Laufwetter. Fotos: Scheuenstuhl]()
Startschuss für den achten Rothenburger Halbmarathon bei bestem Laufwetter. Fotos: Scheuenstuhl
Eigentlich haben die beiden Läufer die Ziellinie schon überquert, doch sie gehen noch einmal zurück. Kurze Zeit später laufen sie erneut in Richtung Ziel – neben ihnen ihre Teamkollegin, die sie auf den letzten Metern anfeuern. „Wir haben nachgeschaut, ob sie sich verletzt hat“, erklärt Werner Mönikheim seine Extrarunde. Er ist Geschäftsführer der Westmittelfränkischen Lebenshilfe Werkstätten in Ansbach und Mitglied in deren integrativen Laufgruppe. Vor zwei Jahren wurde diese beispielhafte Gruppe ins Leben gerufen. Sie setzt sich etwa jeweils zur Hälfte aus Beschäftigten der Werkstätten sowie aus Mitarbeitern der Lebenshilfe Ansbach zusammen. Rund 30 Läufer trainieren jeden Montagnachmittag während der Arbeitszeit. Denn die Laufgruppe ist eine der vielen arbeitsbegleitenden Maßnahmen, die den 880 Beschäftigten der Lebenshilfe Werkstätten an den drei Standorten (Ansbach, Feuchtwangen, Lenkersheim) geboten wird. In Rothenburg ging man mit elf Läufern über die sechs Kilometer Distanz an den Start. „Kurz vor dem Ziel haben alle noch einmal richtig Ehrgeiz gezeigt“, berichtet Mitläufer Kurt Unger, stellvertretender Landrat und Vorsitzender der Lebenshilfe Ansbach, stolz. Alle seien mit ihrer Zeit zufrieden. Neben dem positiven Effekt für die Gesundheit durch das Laufen, hat gerade die integrative Laufgruppe ein weiteres Anliegen, nämlich die Verwirklichung des Inklusions-Gedankens. Menschen mit und ohne Behinderung sollen die Möglichkeit haben, ihre Freizeit miteinander zu gestalten, um eine echte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu realisieren.
![Auf dem Treppchen: Die glücklichen Sieger über die Halbmarathon-Distanz. Fotos: Scheuenstuhl]()
Auf dem Treppchen: Die glücklichen Sieger über die Halbmarathon-Distanz. Fotos: Scheuenstuhl
In Rothenburg trat die Laufgruppe auch als Botschafter für den ersten Netzwerklauf am 13. Juli in Ansbach auf. Neben dem Laufsport soll bei dieser Gelegenheit, wie der Name schon sagt, Netzwerkpflege betrieben werden, etwa in Hinblick auf Kundenkontakte für die Werkstätten oder aber auch für Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung. Warum nicht das angenehme mit dem sportlichen verbinden, dachten sich verschiedene Laufgruppen der Interessengemeinschaft für Langstreckenlauf Hof (IfL). In bester Tradition absolvierten sie als Teil ihres jährlichen Vereinsausflugs einen Laufwettbewerb, dieses mal in Rothenburg. Dass es hier einen Wettbewerb für Nordic Walking gab, brachte für die Entscheidung einen Vorteil. Die insgesamt 57 laufbegeisterten Hofer (zwei liefen den Halbmarathon, 18 die zehn Kilometer, einer die sechs Kilometer Fitness und 36 dieselbe Distanz im Walking-Stil) traten dank ihrer leuchtend grünen Shirts optisch als feste Einheit auf. Und das sind sie auch darüber hinaus. „Der soziale Aspekt ist uns sehr wichtig“, meint Gerhard Lutz, Abteilungsleiter für Laufen, Walken/Nordic Walking bei der Interessengemeinschaft. Und Carmen Leupold bestätigt: „Wenn ich allein laufen müsste, hätte ich es schon wieder aufgegeben.“ Sie hat vor sieben Jahren mit dem Laufen angefangen. Das Beste sei es ihrer Meinung nach, in einem Verein zu laufen. „Es haben sich dadurch viele Freundschaften entwickelt, sagt sie. Auffallend ist, dass die Hofer Truppe aus zahlreichen Ehepaaren besteht. Und auch die Kinder wurden mit dem IfL-Lauffieber angesteckt, zumindest solange bis sie aus beruflichen Gründen wegzogen. Der 71-jährige Gerhard Lutz ist mit seiner Zeit über die zehn Kilometer sehr zufrieden, genau wie seine Frau Eva und auch Carmen Leupold. Beim langen Anstieg sei sie allerdings in den Walking-Stil gewechselt, gibt sie zu. Wobei man durch das Training in Hof an Berge gewöhnt sei, wie Gerhard Lutz schmunzelnd hinzufügt. „Der Wettbewerb hier ist super organisiert“, lobt Carmen Leupold die Veranstalter. Für Walkerin Christa Wolfrum gibt es nur eine kleine Anregung für die Verantwortlichen: „Es wäre eine schöne Geste, wenn die Walker bei der Siegerehrung auch genannt werden.“
Einen der wohl außergewöhnlichsten Gründe in Rothenburg an den Start zu gehen hatte Ricarda Fleisch aus Öhringen. Zusammen mit ihrer Clique trat sie offiziell zu „Ricardas Geburtstagslauf“ an. Am 19. Mai wurde sie 50 Jahre alt. „Ich habe mir gedacht, ich lasse sie laufen, dann haben sie gute Laune bevor wir feiern“, erklärt die gelernte Kauffrau ihren Beweggrund, ihr rundes Jubiläum mit 17 weiteren Lauffreunden bei einem Wettbewerb zu begehen. Sie alle lernten sich 2008 bei einem Volkshochschulkurs für „zielorientiertes Laufen“ kennen. „Wenn man es richtig lernt, läuft es sich gleich doppelt so leicht“, sind sie sich sicher. Deswegen haben sie auch den Kurs gleich dreimal wiederholt. Die einstigen Hobby-Jogger, die sich mit letzter Kraft nach zehn Kilometern ins Ziel schleppten, benötigten dadurch schon ein Jahr später zehn Minuten weniger für einen derartigen Lauf. Mit der Zeit entwickelten sie sich fast schon zu Spitzenportlern, von denen es einer sogar zum Ironman schaffte. Seit einiger Zeit ist auch Tochter Fabia Fleisch mit im Laufteam. „Wenn man älter wird, gefällt es einem immer besser“, sagt die 19-Jährige, die die Distanz über die zehn Kilometer in Angriff nahm. Die Gruppe sei ein wichtiger Ansporn für die Läufer, damit man „länger als eine Stunde laufe“. Jeweils einmal in der Woche treffen sie sich für einen Tempolauf und einen Berg- und Hügellauf. Zudem drehen sie aber auch mal alleine eine Runde nach Feierabend, um etwa Stress abzubauen. Dass es unbedingt Rothenburg als Wettkampfort sein sollte, kommt nicht von ungefähr. „Es ist meine Lieblingsstadt“, erklärt Ricarda Fleisch. Seit 40 Jahren ist sie mit der Rothenburgerin Inge Weigner befreundet und hat diese in ihrer Kindheit oft in der Tauberstadt besucht. Und da sie auch mit Günter Mittermeier bestens bekannt ist, war es natürlich Ehrensache, dass man sich nach dem anstrengenden Lauf im Gasthof Bezold stärkte. Dort stieß man dann auch nicht nur auf das Geburtstagskind an, sondern auch auf das Mannschaftsergebnis: Auf jedem Siegertreppchen (dank der Prämierung nach Altersklassen) war einer der „Geburtstagsläufer“ vertreten. Bestärkt von diesem Ausgang, könnte sich die Gruppe durchaus vorstellen, hier wieder die Laufschuhe zu schnüren, vielleicht schon beim kommenden Lichterlauf. mes