Vernissage „Zeitverschachtelung“ in der Doerfler-Galerie mit Werken und Künstlern aus Fernost
SCHILLINGSFÜRST – Es sind Momentaufnahmen, Alltagssituation im chinesischen Jetzt, die die Künstler Professor Zhang, Jie und sein ehemaliger Student He, Jinwei gestalten und zeigen wollen. Der Leiterin der Ludwig-Doerfler-Galerie, Hai Yan Waldmann-Wang, ist es gelungen, die großartige und überaus berührende Ausstellung nach Schillingsfürst zu holen.
![Vernissage in der Doerfler-Galerie: Das Publikum tauscht sich interessiert aus. Auf der rechten Seite der Stuhlreihe Zweiter von vorn: Professor Wang. Fotos: Schwandt]()
Vernissage in der Doerfler-Galerie: Das Publikum tauscht sich interessiert aus. Auf der rechten Seite der Stuhlreihe Zweiter von vorn: Professor Wang. Fotos: Schwandt
Zu der Vernissage sind der Künstler He, Jinwei mit seiner Managerin Nie, Han sowie der Kurator des Museums of Central Academy of Fine Art in Peking, Professor Dr. Wang, Chun nach Schillingsfürst gereist, begleitet wurden sie von einem Dolmetscher.
„The Intersection of Time“ – auf Deutsch in etwa mit „Die Schnittstelle der Zeit“ zu übersetzen, sei ein äußerst hintergründiger Titel, den die beiden Künstler gewählt hätten, so die Museumsleiterin in ihrer Einführung. Er beleuchte das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart und dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft. Zudem gehen sie der Frage nach, inwieweit das Gestern das Heute beeinflusst, was Bestand hat und wie sich die Zukunft ihres Heimatlandes China gestalten wird.
Verbindendes
Die beiden Künstler verbindet viel. Sie sind in den 1960er Jahren geboren, haben die Kulturrevolution und die allmähliche Öffnung der chinesischen Gesellschaft der 1980er Jahre erlebt, die Veränderung der Marktwirtschaft mit der beginnenden Globalisierung in den 1990er Jahren bis hin zur allmählichen Auflösung tradierter gesellschaftlicher Strukturen zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Beide verstehen sich als Chronisten, wollen festhalten, was ansonsten verschwindet. Was passiert durch die politische und wirtschaftliche Veränderung mit den Menschen in China? Höchst unterschiedlich ist die Bildsprache, die die Künstler wählen. Professor Zhang, Jie stellt die alten Menschen in den Mittelpunkt seiner Bilder. Sie sind die Träger der Tradition und müssen sich gleichzeitig in der modernen, sich rasant verändernden Welt zurechtfinden. Die meisten von ihnen sind nicht mehr erwerbstätig, leben häufig am Rand größerer Städte in Siedlungen mit Menschen ihres Alters.
Im Buddhismus, ihrer Religion, finden sie Halt und Erfüllung. Zhang, Jie zeigt auf großen expressiv und teils abstrakt gestalteten Ölgemälden die Schnittstellen, mit denen die Menschen konfrontiert sind: Stadt und Moderne, Tradition und alte Weisheit am Rande der pulsierenden Metropolen.
![He, Jinwei vor seinem großformatigen Werk mit Kindern vom Land.]()
He, Jinwei vor seinem großformatigen Werk mit Kindern vom Land.
He, Jinwei richtet seinen Blick auf die ländlichen Regionen, wo er auch groß geworden ist. Hier steht das Innehalten der Zeit im Vordergrund. Die Orte sind abgelegen, es gibt ärmliche, graue Hinterhöfe, deren Bewohner ebenso grau, traurig und verlassen wirken.
In seinen Werken beschäftigt er sich vor allem mit den Kindern. Sie sind die eigentliche Zukunft des Landes und doch schon abgehängt. Um diesen Umstand darzustellen, illustriert der Künstler seine Werke vorwiegend in schwarz-weiß. In seinen fotorealistischen Ölgemälden bringt er die Traurigkeit einer solchen Existenz dramatisch zum Ausdruck.
Kindergesichter hat er porträtiert. Diese sind im Treppenaufgang der Doerfler-Galerie ausgestellt. Es sind überaus ausdrucksstarke Bilder, die den Betrachter gefangen nehmen. Die Eltern der Kinder arbeiten in den Metropolen – sie verdienen dort ein Vielfaches. Die Kinder bleiben auf dem Land zurück, einsam und verlassen, ohne Perspektive.
Zwei Videos haben die Künstler eigens zur Ausstellung gedreht, um die rasanten Veränderungen Chinas aufzuzeigen. Mittendrin der Mensch. Eines zeigt die gigantische Entwicklung der Städte und der Wirtschaft, die junge, dynamische Menschen mittendrin, die Älteren mit ihren Traditionen am Rande.
Mit Bach-Musik
Unterlegt haben sie den Kurzfilm mit Musik aus der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach: „Seht – Wohin? auf unsre Schuld. All Sünd hast du getragen.“ Schwarz-weiß präsentiert sich der zweite Film: Menschen auf dem Lande werden gezeigt, es herrscht Ruhe, ja Stillstand, eine fast zahnlose Alte blickt suchend umher, das Praktizieren des Buddhismus ist der Lebensinhalt und die Lebensphilosophie gleichermaßen.
He, Jinwei mag Schillingsfürst als Ort sehr und ist beeindruckt von den herrlichen Bildern Ludwig Doerflers. Er sieht Parallelen im Schaffen und Wirken des Schillingsfürster Künstlers: Auch er hat Momente aus den 70er und 80er Jahren festgehalten, das Leben auf dem Land dokumentiert.
![Gleich bis in die Haltung: Menschen in China im Werk von Dr. Wang, Chun Cheng.]()
Gleich bis in die Haltung: Menschen in China im Werk von Dr. Wang, Chun Cheng.
Er spürt, so He, Jinwei, dass Ludwig Doerfler ein ehrlicher Mensch war, offen und großzügig. Das Thema der Ausstellung sei die „Zeitverschachtelung“ so der Künstler. Die erste Verschachtelung sei tatsächlich eine zeitliche: China habe sich von einer ländlichen zur modernen Gesellschaft entwickelt – in rasendem Tempo. Zum Zweiten habe sich die Gesellschaft innerhalb der letzten 40 Jahre grundlegend verändert – diesen Gesellschaftszustand wollen beide Künstler dokumentieren. Die dritte Verschachtelung ist die erneute Begegnung beider Künstler, die unterschiedliche Zugänge zum gleichen Thema gewählt haben.
Schmunzelnd fügte He, Jinwei hinzu, es gebe eine 4. Verschachtelung mit den Aussagen der Bilder von Ludwig Doerfler. Aufgabe der Kunst sei es, das Leben festzuhalten, sich Gedanken über die Veränderungen zu machen und diese so darzustellen, dass sie verstanden werden.
Begeisterndes Grün
Dr. Wang, Chun Cheng war bereits wiederholt in Deutschland in den Metropolen München, Berlin und Frankfurt. Die Landschaft um Schillingsfürst, das viele Grün, die herrliche Natur begeistern den Kunstprofessor. Die Wurzeln der Kunst sind für ihn wichtig, Ludwig Doerfler habe den herrlichen Landstrich um Schillingsfürst mit den Menschen und ihren Wurzeln in beeindruckender Weise und auf künstlerisch höchstem Niveau festgehalten. Viele Menschen sollten sich von dessen Werken inspirieren lassen und sich daran erfreuen. Er plant eine große Ausstellung mit europäischen Gemälden in seinem Museum in Peking, möchte die europäischen Wurzeln darstellen. Ein Gemälde von Ludwig Doerfler hat er bereits im Gepäck.
Bürgermeister Herbert Seidel sprach den Organisatoren der „Zeitverschachtelung“, allen voran Frau Waldmann-Wang, im Namen der Stadt Schillingsfürst ein großes Dankeschön dafür aus, dass es ihr gelungen ist, eine solch bedeutende Ausstellung nach Europa, ja nach Schillingsfürst zu holen und lud zum Austausch und Gespräch mit den Künstlern ein. Noch bis zum 8. Oktober sind die Werke von He, Jinwei und Prof. Zhang, Jie zu sehen, die Doerfler-Galerie ist von Mittwoch bis Sonntag sowie an den Feiertagen von 12 bis 18 Uhr geöffnet. -sw-