„Stadtplan für alle“ informiert Gäste über Steigungen und Barrieren der Tauberstadt
ROTHENBURG – Die engen, gepflasterten Gassen und die historischen Gebäude verleihen Rothenburg den Charme einer Stadt direkt aus dem Märchenbuch. Doch die infrastrukturellen Gegebenheiten von anno dazumal bringen im wahrsten Sinne des Wortes so manche Stolperfalle mit sich. Um genau zu wissen, was einen bei einem Gang durch die Altstadt erwartet, gibt es nun den „Stadtplan für alle“.
Bereits 2012 begann der Arbeitskreis Inklusion sich über eine Übersichtskarte der Tauberstadt Gedanken zu machen, die kleine und große Stolperfallen für Ortsunkundige direkt sichtbar macht. Die damalige Leiterin, Bärbel Andresen, war hierbei federführend. Durch ihren Fortgang und das Aufgehen des Arbeitskreises in den Inklusionsbeirat, hat sich das Projekt etwas in die Länge gezogen.
Umso größer ist nun die Freude bei allen Beteiligten – dem Team Stadtplan des Inklusionsbeirates, dem Seniorenbeirat und dem Rothenburg Tourismus Service (RTS) – dass man den Stadtplan endlich auf den Weg gebracht hat. Die engagierten Beiratsmitglieder belieferten das RTS mit den erarbeiteten Inhalten und das Tourismusbüro setzte diese dann entsprechend grafisch um.
Der Stadtplan habe im Grunde zwei Funktionen, erklärt Walter Körber vom Inklusionsbeirat. Zum einen zeigt er an, auf welchen Wegen man mit welchen Hindernissen und Steigungen zu rechnen hat. Barrierefreie Wege sind mit grünen Punkten markiert. Auf den rot gepunkteten Strecken gibt es reichlich Barrieren, etwa größere Steigungen oder schwierige Bodenbeläge.
Punkte und Pfeile
Wege mit gelben Punkten weisen ebenfalls Barrieren auf, die jedoch mit etwas Hilfe überwunden werden können. Außerdem sind Steigungen, je nach Intensität, mit einem, zwei oder drei Pfeilen kenntlich gemacht. Zum anderen gibt der Plan Auskunft darüber, wie zugänglich die einzelnen Sehenswürdigkeiten in der Altstadt sind. Auch hier wurde das Ampelsystem angewandt: grün steht für barrierefrei, gelb für Barrieren, die mit Hilfe gemeistert werden können, und rot bedeutet sehr barrierereich. „Der Stadtplan kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, betont Claudia Weisbrod, beim RTS zuständig für Marketing und Vertrieb. Im Mai nahm sie an einer Pressereise zum Thema barrierefreies Reisen teil und weiß daher, dass die entsprechenden Angebote und Voraussetzungen dafür immer wichtiger werden. Schon jetzt landen im Rothenburg Tourismus Service regelmäßig Anfragen, wie barrierefrei die Tauberstadt sei.
Für zehn Prozent der Bevölkerung, so die Tourismusfachfrau, sei Barrierefreiheit alles andere als eine Frage der Bequemlichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Hinzu kommen Familien mit Kindern und ältere Leute, die ebenfalls von abgesenkten Bordsteinkanten, ebenen Bodenbelägen und Rampen statt Treppenstufen profitieren. Man habe deshalb das Druckwerk auch bewusst „Stadtplan für alle“ genannt – ohne spezielle Zielgruppen herauszugreifen –, um den Inklusionsgedanken stärker zu betonen, ergänzt Walter Körber.
Die dafür verwendete Schrift ist zudem größer als bei anderen Stadtplänen und die darin enthaltenen Informationen wurden in einfacher Sprache gehalten. Dieser besondere Stadtplan liegt nicht offen aus, sondern wird nur nach Anfrage (vor Ort im RTS oder postalisch per Infopaket) ausgegeben. Man entschied sich bewusst für eine kleinere erste Auflage – jeweils zweitausend Stück für die deutsche und englische Version – um etwaige Änderungen oder Ergänzungen schneller einpflegen zu können. Den Stadtplan kann man auch online herunterladen.
![Ausschnitt aus dem „Stadtplan für alle“: Die farbigen Punkte markieren den jeweiligen Grad der Barrierefreiheit. Ausschnitt aus dem „Stadtplan für alle“: Die farbigen Punkte markieren den jeweiligen Grad der Barrierefreiheit.]()
Ausschnitt aus dem „Stadtplan für alle“: Die farbigen Punkte markieren den jeweiligen Grad der Barrierefreiheit.
„Rothenburg ist ein schwieriges Pflaster“, beschreibt Dr. Paul Kerscher, Vorsitzender des Seniorenbeirats, in doppeldeutiger Weise die Situation vor Ort. Er selbst habe sich einst bei Stadtheimatpfleger Dr. Kon-rad Bedal über das Pflaster in der Altstadt erkundigt. Die Auskunft des langjährigen Leiters des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim geht in die Richtung, dass man eigentlich nachschauen müsste, ob das jeweilige Pflaster auch wirklich historisch sei, so Dr. Paul Kerscher.
Der Beiratsvorsitzende plädiert dafür zu schauen, wie in anderen Städten mit dem Thema Barrierefreiheit im historischen Ambiente umgegangen wird. So war er beeindruckt von den Maßnahmen in Bamberg (immerhin eine Weltkulturerbe-Stadt), wo man vor dem Dom das Pflaster ausgetauscht habe. Auch an Kempten könne man sich laut des Arztes im Ruhestand ein Beispiel nehmen. Optisch meint man dort ein unwegsames „Buckelpflaster“ vor sich zu haben, doch der Belag stellt sich beim Gang darüber als eben heraus.
Bewusstsein schaffen
Die Verantwortlichen von Inklusions- und Seniorenbeirat betonen, dass man den Leuten nicht böse sei, wenn etwa bei Bauvorhaben der Blick für die Barrierefreiheit fehle. „Als Gesunder denkt man da halt nicht dran“, äußert Dr. Paul Kerscher Verständnis. Die ehrenamtlich Engagierten wollen nicht so sehr immer im Nachhinein als Kritiker vom Dienst auftreten, sondern bereits im Vorfeld ein Bewusstsein für die Belange von Menschen, deren körperliche Mobilität eingeschränkt ist, schaffen.
Deshalb freut es sie sehr, dass Michael Knappe, Leiter des städtischen Bauamtes, ihnen versichert hat, sie und ihre Expertise in der Planungsphase von Bauprojekten miteinzubeziehen. Darüber hinaus möchte man das Gespräch mit den Stadtwerken suchen, denn auch dort werden beispielsweise Straßenbaumaßnahmen durchgeführt, in deren Zuge man unter Umständen ebenfalls eine Verbesserung hinsichtlich der Barrierefreiheit erreichen könnte.
Um für die Verantwortlichen eine Übersicht zu schaffen, wo hinsichtlich der Barrierefreiheit in der Stadt noch etwas im Argen liegt, soll eine entsprechende Datenbank angelegt werden. Hierfür holte man sich die Unterstützung von Oliver Körber, der als Informatiker das nötige technische Wissen parat hat. Straßenweise sollen Beschreibungen der gesichteten Mängel, eventuell Fotos davon und Vorschläge zur Verbesserung dort festgehalten werden. Die Stadtverwaltung kann diese dann bei ihren Bauvorhaben zu Rate ziehen.
Auf der frei zugänglichen online Plattform wheelmap.org kann man sich als Besucher der Tauberstadt im Vorfeld informieren, welche Sehenswürdigkeiten, Gaststätten und Geschäfte rollstuhlgerecht sind. Barrierefreiheit ist auch ein wichtiges Thema für die örtliche Gastronomie, erklärt Marion Beugler, Vorsitzende der Orstgruppe des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes. Aufgrund des einmaligen „baulichen Charmes“ und des Denkmalschutzes sei es allerdings gerade für die kleineren Häuser in der Altstadt schwierig, etwa Lifte einzubauen und die Zimmer entsprechend auszustatten.
Die größeren Gastbetriebe vor der Stadtmauer hätten da ganz andere Möglichkeiten. Jeder versuche aber, versichert sie, sein möglichstes zu tun, um den Bedürfnissen der Gäste gerecht zu werden. Marion Beugler regt in Zusammenhang mit diesem Thema auch an, mehr Bänke in der Stadt aufzustellen, damit sich die Gäste bei ihrem Rundgang zwischendurch auch einmal hinsetzen und ausruhen können. mes