Enthüllung der Infotafel bei Steinbächlein Schlusspunkt eines großen Renaissance-Projektes
NEUREUTH/STEINBÄCHLEIN – Es seien viele Menschen gewesen, die sich genau hier an diesem Ort vor 214 Jahren trafen. Nicht so viele wie diesmal, und sie waren nicht zum Feiern gekommen, sondern zum Arbeiten, betonte Karlheinz Seyerlein. Als treibende Kraft der Leutershäuser Grenzcommissaire war es ihm eine Freude, zur Enthüllung der Infotafel zwischen dem Läutershäuser Ortsteil Steinbächlein und dem Schillingsfürster Ortsteil Neureuth so viel Beachtung für diese ehemalige Grenze vom Beginn des 19. Jahrhunderts zu spüren.
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Ein Lied auf die alte Grenze stimmen Commissaire (mit Zylinder), Landrat, Gemeindevertreter, LAG-Leute und Siebener-Entsandte an.
Viele weitere Details hat er bei seiner fleißigen Recherchearbeit in den Archiven gefunden. Mit den Arbeiten des Steinsetzens war immer erst aufgehört worden, als es dunkel wurde, in jenen Sommertagen 1804. Am nächsten Morgen um sechs Uhr ging es weiter. In drei Tagen wurden hundert Steine gesetzt für eine 26 Kilometer lange Landesgrenze. Fuhrwerke von den Bauern aus den umliegenden Dörfern standen damals herum. Sie hatten die Steine der Nummern 42 bis 53 herzutransportieren. Bis zu elf Tagelöhner gleichzeitig setzten die wuchtigen Grenzzeichen dort, wo seit 1798 provisorisch Pflöcke den neuen Verlauf der Trennungslinie markiert hatten.
Das Kommando führte der preußisch-ansbachische Ingenieur-Hauptmann Christoph Ludwig Vetter. Steinhauer schlugen nach seinen Anweisungen die Weislinien auf die Dachfläche der Steine. Meßkettenzieher stellten die Abstände fest. Ein Protokollführer beschrieb genau die Standorte.
Am 44. Stein
Am linken Ufer des Bachs, der von Neureuth nach Steinbächlein fließt, setzte man den 44. Stein und zog sich mit der Landesgrenze dann an den Krümmungen des Bachs gegen Abend auf Neureuth zu. Von beiden Seiten verfolgten hochrangige Beamte das Staatsgeschäft der Versteinung: Regierungs-, Hof- und Justizräte, Oberförster, Wildmeister, Streifer.
Doch auch die männliche Jugend aus den grenznahen Dörfern war in offizieller Mission dabei. Um den Buben den Vorgang und die Standorte einzuprägen, wurden sie nicht wie früher „auf den Stein gestoßen“ oder geohrfeigt, sondern bekamen Geld: einen Kreuzer. Dagegen gingen die Mädchen leer aus. Das weibliche Geschlecht war nicht gefragt. Nur eine einzige Frau war offiziell tätig: Rosina Engelhardin war Botin in dieser Zeit ohne Telefon.
Wie es zu dieser Grenzziehung kam? Noch bevor sein Fürstentum Brandenburg-Ansbach mit seinem Tod an Preußen fallen würde, dankte der Markgraf Alexander ab und verbrachte seinen Lebensabend in England. Nun hatte Hohenlohe-Schillingsfürst im Osten einen neuen Nachbarn: König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, vertreten durch seinen Statthalter August von Hardenberg, den spätere großen Staatsmann und Reformer Preußens.
Hardenberg wollte die zum Teil grotesken, noch mittelalterlichen Vermischungen zu den benachbarten Fürstentümern bereinigen und ein geschlossenes Territorium schaffen, frei von fremden Untertanen und fremden hoheitlichen Rechten. Mit den größeren Nachbarn wurde Hardenberg darüber nicht einig. Dagegen schloss die europäische Großmacht Preußen und das winzige Fürstentum Hohenlohe-Schillingsfürst einen wohldurchdachten, fairen Landesvergleich. Erstmals wurde eine richtige Landesgrenze zwischen Ansbach und Schillingsfürst gezogen.
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Enthüllen die Infotafel: links Herbert Lindörfer, rechts Karlheinz Seyerlein.
65 preußisch-ansbachische Untertanen, die im nun eindeutig schillingsfürstischen Gebiet wohnten, wurden schillingsfürstische Untertanen. Umgekehrt wurden 122 schillingsfürstische nun preußisch. Der für Schillingsfürst großzügig berechnete finanzielle Ausgleich von 178000 Gulden rettete Schillingsfürst vermutlich vor dem Staatsbankrott. Zwei Jahre nach der Versteinung, im Jahr 1806: Napoleon verändert die Landkarte: Auf beiden Seiten der neuen Landesgrenze war jetzt das neue Königreich Bayern. Die neuen Königlich-bayerischen Landgerichtsbezirke Leutershausen und Feuchtwangen wurden von Schillingsfürst genau an der erst versteinten Landesgrenze getrennt. Heute grenzen die Gemeinden Gebsattel, Geslau, Leutershausen, Schillingsfürst, Dombühl und Wörnitz an. Buch am Wald wird von der Grenze zwischen den Ortsteilen Gastenfelden und Hagenau getrennt.
Über die Grenze war bis in neuerer Zeit wenig bekannt und vieles falsch dargestellt. Die Buchstaben HG und PG auf den Steinen wurden fehlgedeutet: G für Grenze oder Gericht, P für Brandenburg. Die Grenze als ehemalige Fraisch- (Gerichts-) Grenze bezeichnet, was sie gerade nicht war. Richtig ist: hohenlohisches bzw. preußisches Gebiet.
Die Forschung wendete sich dem Landesvergleich nicht zu. Schillingsfürst war ein zu unbedeutender Vertragspartner. Außerdem hatte das Ganze zeitlich sehr kurzen Bestand. Dabei hätte dieser vorbildliche Vertrag eine lange Laufzeit und eine entsprechende Würdigung verdient gehabt, meint Karlheinz Seyerlein.
An der 26 Kilometer langen Grenze steht im Durchschnitt alle 260 Meter ein Stein. Der Wanderer sieht meist nur einen Stein. Wie es weiter geht, vor oder zurück, geradeaus, schräg oder im rechten Winkel, kann man an den Weislinien erkennen, die oben auf den Steinen eingeschlagen sind. Für einen Überblick reicht das aber nicht. Deshalb sind sieben Infotafeln an oder nahe der Grenze aufgestellt worden. Weil man die nicht mitnehmen kann und nicht, wie an Wanderwegen üblich, alle fünfzig Meter ein Wegweiser oder ein Richtungspfeil folgt, gibt es Karten. Genau genug, um über die wenigen Lücken hinwegzukommen oder schwierige Stellen zu umgehen.
Unter „Grenzcommissaire.de“ stehen im Internet die Koordinaten der Grenzsteine für das Navi zur Verfügung, aber auch ausführliche Informationen zum geschichtlichen Hintergrund. Die Strecke ist anspruchsvoll, verläuft oft abseits ausgetretener Pfade über Feldwege, aber auch Waldränder, Bachufer, Feld-Raine, Hochwald und Dickicht, Steigungen und Gefälle. Auf Strecken, die kaum jemand kennt. Immer wieder spannend, bis der nächste Stein entdeckt ist.
Die Leutershäuser Gruppe „Grenzcommissaire“, seit 40 Jahren an historischen Grenzen unterwegs, erkundete und dokumentierte 1981 erstmals diese Grenze. Ab 2008 wurde die Grenze für sie nach und nach zum „Projekt“. Die umfangreichen Archivalien wurden studiert, der historische Hintergrund erforscht und in Vorträgen und Zeitungsartikeln bekannt gemacht.
2012 begann eine sehr erfreuliche Zusammenarbeit mit den Siebenern, berichtet Karlheinz Seyerlein. Die Grenzcommissaire stießen auf eifrige und freudige Mitarbeit und großes heimatgeschichtliches Interesse. Der Erhalt dieser historischen Grenzsteine war den Siebenern eine Herzensangelegenheit.
Nach all dem Suchen, Aufrichten, Renovieren, und Zurückversetzen der Grenzsteine folgt nun als gewisser Abschluss das Aufstellen der Info-Tafeln. Es sei mit den Siebenern eine große Freude gewesen. Siebener und Grenzcommissaire treffen sich alljährlich im Russischen Hof im Schillingsfürster Ortsteil Schorndorf.
Keine Mühe sei es gewesen, neben Privatleuten die Bürgermeister zum Stiften von Steinkopien zu überreden. Beim Aufstellen der Steine und jetzt der Infotafeln waren die Bauhöfe mit tätig. Auch die Garten- und Landschaftsbaufirma Hauf & Hauf aus Bieg half mit.
Und noch ein weiteres Mal greifen die Bürgermeister nun in ihren Gemeindesäckel. Für die Infotafeln und die Flyer zahlen sie alles, was nicht durch einen öffentlichen Zuschuss gedeckt ist. Ämter waren beteiligt. Nicht nur pflichtmäßig, sondern auch „interessiert, wohlwollend, hilfreich“. Als da sind, von Seyerlein mit ihren herkömmlichen Namen benannt: Vermessungsamt, Flurbereinigungsamt, Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt.
Die Eheleute Birgit und Robert Schwab vom „Schwabenhof“ aus Steinbächlein stellten für die Feierstunde zur Enthüllung der dortigen Infotafel ihre Viehweide als Parkplatz zur Verfügung. Christian Eiber von der Firma Artwork aus dem Leutershäuser Ortsteil Eckartsweiler und seine Mitarbeiterin Anna Wirz „mussten viel Geduld mit uns beim Erstellen der Info-Tafeln und der Flyer aufbringen und haben gut und pünktlich geliefert,“ verrät der Grenzcommissair.
Die Stadt Leutershausen war Gastgeber der Feier und ist auch der Grundstückseigner für die Info-Tafel. Hans Rummel, dienstältestes Gemeinderatsmitglied begrüßte stellvertretend für seine Stadt. Der Leiter der Hauptverwaltung, Jürgen Ruppert, half bei der Organisation mit.
Rund 30 Siebner waren an diesem Unternehmen beschäftigt. Ihren Einsatz organisierten zwei Obleute: Erwin Keitel aus Hagenau (der nebenbei auch noch Steinkopien herstellt) und Walter Wirth aus Schorndorf. Nach über sechs Jahren intensiver und vertrauensvoller Zusammenarbeit sagte ihnen der Kopf der Grenzcommisaire großen Dank.
Auch beim Kreisheimatpfleger für den Altlandkreis Rothenburg fand das Projekt große Unterstützung. Eigentlich ist er für Bodendenkmäler zuständig, zu denen Grenzsteine nicht zählen. Er hat bei der Gestaltung der Info-Tafeln und der Flyer maßgeblich mitgewirkt. Und er hat den Internet-Auftritt „grenzcommissaire.de“ gestaltet.
Dieses Vorhaben könne nicht öffentlich gefördert werden, weil es nicht genügend Natur enthalte, war orakelt worden. Aber mit Pia Grimmeißen-Haider, Geschäftsführerin bei der LAG-Region Romantische Straße, ging es vorwärts. Info-Tafeln, Flyer, Vereinbarungen mit den Gemeinden, Ausschreibung, Auftragserteilung und -abwicklung, Förderung aus dem Leader-Programm „Unterstützung Bürgerengagement“. Die LAG-Region mit Herbert Lindörfer an der Spitze beschloss im großen Kreis, das Vorhaben zu fördern. Seyerlein: „Das war eine große Anerkennung und Auszeichnung, eine Art Ritterschlag.“
Von Sympathie begleitet
Landrat Dr. Jürgen Ludwig ließ es sich nicht nehmen, den Abschluss dieses Projektes mitzufeiern. Mit von der Partie auch die Bürgermeiser Michael Trzybinski aus Schillingsfürst, Jürgen Geier aus Dombühl und Gerd Rößler aus Gebsattel. Mit Grenzcommissairen, LAG-Vertretern und Siebener-Entsandten stimmten sie ein Lied auf die alte Grenze an, das später zum gemeinsam gesungenen Frankenlied erweitert wurde. Neben Behördenleitern waren auch gekommen: Bernhard Heim vom Rothenburger Reichsstadt-Gymnasium als geschichtsinteressierter P-Seminarbetreuer und Bernhard Mall, früherer Vorsitzender des Vereins Alt-Rothenburg.
„Wirklich bedeutende historische Ereignisse und Hinterlassenschaften sind auf dem flachen Land selten,“ betont Seyerlein: „Hier haben wir ein wichtiges geschichtliches Erbe: eine über 200 Jahre alte Grenze. Von 100 repräsentativen Grenzsteinen sind 75 Originale erhalten, dazu 12 Kopien. Mit einer überschaubaren Länge von 26 Kilometern verbindet sie sieben Städte und Gemeinden. Im Hintergrund ist ein umfangreicher Staatsvertrag zwischen ungleichen Partnern, der auch ein Stück Geschichte beendet.
Man kann die Grenze nicht wie bei einem Bauwerk mit einem Blick erfassen. Man sieht meist nur jeweils einen Stein, damit genau ein Prozent aller 100 Steine, rechnet Seyerlein vor: „Deshalb sieben Info-Tafeln an die Grenze! Es würde mich sehr freuen, wenn sich der eine oder andere an einem Stück Grenze versuchen würde. Ich verspreche ein Erlebnis. Und zur Orientierung: Geht man den Nummern nach die Grenze entlang, ist das Schillingsfürster Gebiet immer rechts, auch wenn man die Stadt Schillingsfürst links sieht!“ -ww-