Forderung nach fairen Löhnen auf der Maikundgebung in Rothenburg
ROTHENBURG – Unter dem Motto „Gute Arbeit, Soziales Europa“ waren der Mindestlohn und die Europawahl zentrale Themen der Gewerkschaftsveranstaltung am Maifeiertag in Rothenburg. Auf dem Grünen Markt sprachen Reiner Gehring (IG Metall Fürth) und Walter Nees (DGB-Ortsverband Rothenburg). Sie forderten weitere arbeits- und sozialpolitische Verbesserungen in einem geeinten, an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Europa. Die rigorose Sparpolitik sowie der Abbau von sozialen Errungenschaften müsse gestoppt werden.
„Seit vielen Jahren begleiten uns Themen wie gute Arbeit, Rente und soziale Lage, faire Löhne, prekäre Beschäftigung oder Mindestlöhne und schließlich die europäische Sozialpolitik, denn viele Fragen können wir nicht auf Landesebene beantworten“, so der DGB-Ortsverbandsvorsitzende. „Wir wollen ein Europa der Menschen, nicht der Märkte, und Zukunftsperspektiven für die Jugend.“ In der beruflichen Realität lasse man junge Arbeitnehmer befristet arbeiten – und das immer wieder – obwohl man ihnen feste Stellen geben könnte, schicke sie von Praktikum zu Praktikum oder lasse sie durch den Rost fallen, wenn sie nicht spuren und dem Anforderungsprofil der Wirtschaft nicht entsprechen.
Den älteren Arbeitnehmern werde das Gefühl vermittelt, nicht mehr gebraucht zu werden. Man will sie loswerden: „Am besten so, dass damit verbundene finanzielle Nachteile ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer gehen“, beklagte Walter Nees. „Sehr subtil“, man könnte auch sagen „hinterfotzig“ würden die Dinge nicht direkt zum Ausdruck gebracht, sondern eingefädelt, um schlussendlich sogar einen Beweis zu haben, „diesen Mann oder diese Frau können wir nicht mehr gebrauchen.“ Mit Blick auf die Koalitionsvereinbarungen zu Mindestlohn und Rente habe man „endlich etwas erreicht“, meinte Walter Nees. Manchmal könne man aber auch schier verzweifeln. „Wenn man scheinbar kurz vor dem Ziel, sich wieder und wieder mit alten, schon tausendmal widerlegten Argumenten herumplagen muss.“ Dann stelle er sich die Frage: „Geht denn gar nichts voran? Geht es uns wie Sisyphus, der schafft und strampelt und sich plagt, aber nie ans Ziel kommt? Oder bewirken wir vielleicht sogar mehr, als uns manchmal bewusst ist?“
Der Gewerkschaftsvertreter bedankte sich bei den Mitgliedern des DGB-Ortsverbandes für die Mitarbeit das ganze Jahr über, besonders in Bezug auf die Maikundgebung. Sein Dank galt auch den Detwangern, der Evangelischen Jugend, dem TSV Rothenburg und der Getränkehandlung Mayer für das Ausleihen von Tischen, Bänken, Geschirr und Gläsern. Es gab neben Weißwürsten, Schmalz- und Schnittlauchbrote, die am Ende des Maifestes ausverkauft waren. Annähernd zweihundert Teilnehmer zählte Walter Nees und freute sich über den „sehr guten Besuch“. Die vorausgegangene ökumenische Andacht in der Jakobs-Kirche mit Dekan Hans-Gerhard Gross und Pastoralreferentin Monika Angermeier besuchten etwa achtzig Personen – im Vergleich zu den Vorjahren soviel wie nie.
Als Hauptredner der Maifeier hielt Reiner Gehring eine kämpferische Ansprache, die immer wieder von Applaus unterbrochen wurde. „Wir brauchen Arbeit, von deren Lohn man leben kann. Es soll um die Menschen und deren Gesundheit, Glück und Zufriedenheit gehen, nicht nur um Geld, Gewinn und Boni. Wir brauchen ein Europa, das für die Menschen da ist und nicht für die Konzerne.“ Der IG-Metall-Vertreter warnte vor Versuchen, die Macht von Konzernen durch Handelsabkommen weiter zu stärken und demokratische Strukturen auszuhöhlen.
Die Streichung von Arbeitnehmer- und Streikrechten und die Zerschlagung der Sozialsysteme in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland seien bedenkliche Entwicklungen. „Wir brauchen ein demokratisches und sozial gerechtes Europa“, so Reiner Gehring. Die Sparpolitik sei unsozial. Demokratie und Mitbestimmung müssten ausgebaut werden, statt Politik über die Köpfe der Menschen hinweg zu machen. Außerdem warb er dafür, Migration und Einwanderung als etwas Positives zu begreifen.
„In Deutschland zocken die Banken weiter“, beklagte der IG-Metall-Vertreter. Die Kluft zwischen Arm und Reich habe sich seit der Wiedervereinigung stark vergrößert. Gründe für die Ungleichheit sei der Anstieg von Mini-Jobs, Teil- und Zeitarbeit. Die sogenannte „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“ haben diesen Trend noch einmal verschärft. Zeitgleich seien die Kapitaleinkommen gestiegen. Die Reallöhne dagegen sinken. „Leiharbeit muss abgeschafft werden“, forderte Reiner Gehring und meinte: „Facharbeiter bekomme ich nicht durch Sklavenhandel.“ Und: „Betriebe, die nicht ausbilden, sollen zahlen“. Als Beispiele für betriebliche Ausbeutung nannte er Adidas, KiK, C & A. H
eftige Kritik übte er auch am Electrolux-Konzern wegen der Auslagerung der Distriparts-Mitarbeiter nach Langensteinach. Die Beschäftigten bewerkstelligen seit vier Jahren für den Logistikdienstleiter Hegele das komplette Lagergeschäft für das Ersatzteilwesen des schwedischen Hausgeräteherstellers Electrolux und stehen unter enormem Kostendruck. Pro Mitarbeiter sollen 10000 Euro im Jahr eingespart werden. Für die Unternehmenspolitik im Rothenburger Werk machte Reiner Gehring Werkleiter Johann Reindl verantwortlich und kritisierte ihn heftig wegen der Entlohnung und wegen des Wegfalls der Wechselschichtprämie. Damit würden die Einkommen spürbar geschmälert. Der Gewerkschaftsvertreter kritisierte auch die Nicht-Verlängerung des RoSi“-Vertrags zur Standortsicherung.
Der Gescholtene vernahm die markigen Worte als Zuhörer der Maikundgebung. Den musikalischen Abschluss der Maifeier gestaltete auch in diesem Jahr die Blaskapelle Gebsattel. Danach sorgte erstmals Till Schlegel alias „Till di soil“ mit Bastian für Unterhaltung. sis