Informationsabend zum Thema Asyl und Ausbildung – Flüchtling teilte seine Geschichte
SCHILLINGSFÜRST – Tagelang könnte man über diesen Themenkomplex sprechen: „Flüchtlinge“ und „Integration“ – zwei Begriffe, die gerade in aller Munde sind. Theresia Hitz, Koordinatorin beim Kolping-Bildungszentrum Ansbach und Miyasaer, jesidischer Flüchtling aus dem Irak, versuchten an nur einem Abend Interessierten die Grundzüge des Asylverfahrens und die Arbeit mit berufsschulpflichtigen Flüchtlingen vorzustellen. Der Iraker hinterließ dabei mit seiner aufgeschlossenen Art bei den Zuhörern einen überaus positiven Eindruck.
![„Vom Flüchlting zum Azubi“: Kolping-Koordinatorin Theresia Hitz informiert.]()
„Vom Flüchlting zum Azubi“: Kolping-Koordinatorin Theresia Hitz informiert.
„Wenn wir die Flüchtlinge nicht annehmen, tun das andere“, mahnt Theresia Hitz und spricht damit die Gefahr an, die von Fundamentalisten ausgeht, die sich gezielt bei enttäuschten, frustrierten und hoffnungslosen Flüchtlingen in Deutschland anbiedern, um sie auf ihre Seite zu ziehen und sie gegen ihre neue Heimat aufzuwiegeln. Als Koordinatorin des Kolping-Bildungszentrums Ansbach arbeitet sie täglich mit jungen Flüchtlingen, die in der Berufsschule ausbildungsreif gemacht werden sollen.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen – in der Mehrzahl Männer – „begegnen uns mit viel Respekt“, beschreibt sie die tägliche Situation für sich und ihre Kolleginnen. Es seien „ganz tolle junge Menschen“, die Träume haben, „wie alle anderen auch“. Berufsschule und Kooperationspartner haben sich „fordern und fördern“ der Flüchtlinge auf die Fahnen geschrieben.
Doch dies ist nur einer der vielen Bausteine des gesamtgesellschaftlichen Großprojekts namens Integration. „Machen Sie sich selbst ein Bild“, appelliert Theresia Hitz an die Zuhörer im katholischen Pfarrsaal in Schillingsfürst, „und holen Sie die Flüchtlinge aus der Anonymität heraus“. Von vielen ihrer Schüler weiß sie, dass sie sich den Kontakt zu Deutschen ausdrücklich wünschen.
Ersten Schritt getan
Doch oftmals bietet sich angesichts der besonderen Wohnsituation der Flüchtlinge und des mit Schule ausgefüllten Tages nicht die Gelegenheit dazu. „Nehmen Sie die jungen Leute einfach einmal mit auf den Weih-nachtsmarkt“, so der Wunsch der Kolping-Mitarbeiterin. Miyasaer hat von sich aus schon den ersten Schritt getan. Doch obwohl er in einem Verein Fußball spielt, hat er ebenfalls erlebt, wie schwierig es mitunter sein kann, näher mit Einheimischen bekannt zu werden.
![Interessiert verfolgen die Zuhörer im katholischen Pfarrsaal die Erklärungen über das komplexe Asylverfahren. Fotos: Scheuenstuhl]()
Interessiert verfolgen die Zuhörer im katholischen Pfarrsaal die Erklärungen über das komplexe Asylverfahren. Fotos: Scheuenstuhl
Der 21-jährige Jeside hat sich bereit erklärt, bei dem von der Katholischen Regionalpfarrei Schillingsfürst und dem Katholischen Kreisbildungswerk organisierten Informationsabend, einen Ausschnitt seiner persönlichen Geschichte mit den rund 20 Zuhörern zu teilen. Gewisse Episoden, die zu privat – und wohl auch zu schmerzlich – waren, zu erzählen, ließ er weg. Und dennoch bekamen die Anwesenden einen authentischen Einblick in seine Lebenswelt.
Vor ihnen stand ein junger Mann, der sich nach relativ kurzer Zeit in Deutschland schon recht gut in der fremden Sprache ausdrücken kann, und freundlich und offen über sich und seine Situation Auskunft gab. Der aus dem Nordirak bei Mossul stammende Miyasaer floh über die Türkei und die östliche Balkanroute nach Deutschland. Als er die EU-Außengrenze in Bulgarien erreichte, wurde er von der Polizei dazu gezwungen, seine Fingerabdrücke zur Registrierung abzugeben.
Passau war seine erste Station in Deutschland. Von dort wurde er nach Zirndorf in die Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Von Anfang an war sein Aufenthalt in der Bundesrepublik geprägt von mehreren Ortswechseln bis es ihn schließlich nach Ansbach verschlug. In dieser Zeit durchlief er auch das ganze Repertoire an Unterbringungsformen: angefangen beim Zelt, über den kleinen Container für zehn Bewohner bis hin zur Sporthalle einer Berufsschule, wo sich 175 Menschen zwei Duschen teilen mussten.
In seiner letzten Container-Wohnung ereilte ihn dann die Hiobsbotschaft: Er bekam den Abschiebungsbescheid. „Ich hatte solche Angst“, erzählt der 21-Jährige. Da er in Bulgarien erstmals europäischen Boden betreten hatte und dort registriert wurde, musste er innerhalb von sechs Monaten dorthin zurückkehren.
„Uns war klar, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen werden, um unseren Schüler zu schützen“, erklärt Theresia Hitz. Denn Bulgarien nimmt zwar die Flüchtlinge auf, doch droht ihnen dort die Obdachlosigkeit oder sie werden zusammen mit Straftätern in Gefängnisse gesteckt. In Heilsbronn konnte eine evangelische Pfarrei gefunden werden, die Miyasaer Kirchenasyl gewährte. Nach Ablauf der Abschiebefrist ist nun Deutschland für Miyasaer zuständig. Sein Asylantrag wird derzeit geprüft.
„Ich möchte eine Ausbildung zum Koch machen, weil man da weniger Mathematik braucht“, erzählt Miyasaer erfrischend ehrlich. Gerade ist er in einem sogenannten beruflichen Übergangsjahr. Dabei lernt er, vereinfacht gesagt, verschiedene Berufe kennen und absolviert auch Praktika.
Perspektive nach Schule
Theresia Hitz ist froh, dass die meisten ihrer Schüler nach der 11. Klasse eine Perspektive haben. Von den insgesamt 72 berufsschulpflichtigen Flüchtlingen (16 bis 21 Jahre), die am Berufsschulzentrum Ansbach die Berufsintegrationsklasse besuchten, konnten beispielsweise neun direkt in eine Ausbildung wechseln, 18 haben sich für eine Ausbildung an Berufsfachschulen entschieden, 15 legen ein Brückenjahr ein und 8 sind in Maßnahmen der Agentur für Arbeit.
Eine Berufsausbildung dürfen Asylbewerber mit Genehmigung der Ausländerbehörde nach drei Monaten und Geduldete ab dem Tag der Duldung beginnen. Auszubildende Asylbewerber erhalten grundsätzlich eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Nach dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss bekommen sie eine weitere Duldung für sechs Monate, um einen Arbeitsplatz zu suchen beziehungsweise im Falle einer Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre.
Die lebensgefährliche, teure und teils mehrere Monate dauernde Flucht nehmen die Menschen auf sich, weil sie etwa Krieg, Diktaturen, Verfolgung und Umweltzerstörung entkommen wollen. Weltweit sind derzeit zirka 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Landkreis Ansbach leben momentan etwa 1800 Asylbewerber. Eine ganze Reihe von Behörden und Gebietskörperschaften ist in dem komplexen Prozess des Asylverfahrens involviert.
So führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das eigentliche Asylverfahren durch. Die Regierung eines Bezirks verteilt die Flüchtlinge auf die Landkreise. Landkreise und kreisfreie Städte sind dann für ihre Unterbringung zuständig. Das Ausländeramt stellt den Aufenthaltstitel aus und ordnet die Abschiebung an. Ansprüche aus dem Asylbewerberleistungsgesetz werden vom Sozialamt gewährt. Wohlfahrtsverbände kümmern sich um die Asylbetreuung in Asylunterkünften beziehungsweise Beratungsstellen.
Je nach Aufenthaltstitel ändert sich für einen Flüchtling auch der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Mit einer Aufenthaltserlaubnis kann der Betroffene sofort eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen. Er bekommt ebenfalls Zugang zu Förderleistungen nach dem Dritten Sozialgesetzbuch. Während des laufenden Asylverfahrens sowie im Status der Duldung besteht zunächst ein dreimonatiges Arbeitsverbot. Danach wird geprüft, ob die betreffende Stelle nicht zuerst mit einem Deutschen oder einem EU-Bürger besetzt werden kann.
354 Euro Existenzminimum
Gemäß des Asylbewerberleistungsgesetzes wird das Existenzminimum eines alleinstehenden Flüchtlings auf 354 Euro festgesetzt. 135 Euro davon sind das sogenannte „Taschengeld“, das für Ausgaben für Bildung, Freizeit, Telekommunikation, Verkehr und Dienstleistungen vorgesehen ist.
Unter die restlichen 219 Euro des „physischen Existenzminimums“ fallen Kosten für Nahrungsmittel, Bekleidung und die Gesundheitspflege. Im Krankheitsfall erhalten Asylbewerber auf Anfrage Krankenbehandlungsscheine von der Sozialhilfeverwaltung, allerdings nur für den Allgemein-, Zahn-, Frauen- und Kinderarzt. mes